Nicht zuletzt durch den Ausgang der Präsidentschaftswahl 2024 werden die USA ihrem Ruf als Land der unbegrenzten Möglichkeiten wieder einmal mehr als gerecht. Interessant ist in diesem Zusammenhang der Umgang mit Pornos: Statistisch werden Sexfilme und erotische Bilder in den religiös-konservativen Bundesstaaten am häufigsten konsumiert.
Prüde – und trotzdem geil auf Porno? Typisch Amerika!
Die Vereinigten Staaten haben eine der weltweit größten Pornoindustrien. Genauer gesagt ist der liberale Bundesstaat Kalifornien ein Porno-Zentrum von internationaler Bedeutung. Wer nun annimmt, dass die dort gedrehten Sexfilme auch vordergründig im Sonnenstaat am Pazifik konsumiert werden, wird überrascht sein. Zwar pflegt man im Südwesten der USA tatsächlich, wenn man Kalifornien mit der religiös-konservativen Landesmitte vergleicht, tatsächlich einen recht unverkrampften Umgang mit den Spielarten der Sexualität. Das bedeutet jedoch nicht, dass Pornos in der Vergleichsregion keine Chance hätten. Ganz im Gegenteil: Statistisch klicken sich die Bewohner*innen konservativer Bundesstaaten sogar häufiger durch Internet-Pornos, als es in liberaleren Staaten der Fall ist. Da man in den religiösen Regionen fast traditionell die Republikaner wählt, kann man es wie in einem bereits 2010 veröffentlichten Artikel zusammenfassen:
„Die roten Staaten sind auch die Rotlicht-Staaten.“ Dass man fest an Gott glaubt, die Fahne für
traditionelle Familienwerte hochhält und überzeugt ist, dass einen für sexuelles Fehlverhalten spätestens im Jenseits eine Strafe erwartet, scheint sich mit der Lust auf Sexclips nicht zu widersprechen. Gemäß einer
Studie der Harvard Business School besteht bei vielen konservativen Amerikaner*innen eine krasse Form von Doppelmoral: Während man nach außen hin prüde und zugeknöpft erscheint, hat man im stillen Kämmerlein überhaupt kein Problem mit expliziten Pornos. Statistisch geben die Menschen im ultrakonservativen Bundesstaat Utah pro Kopf am meisten Geld für den Download beziehungsweise das Streaming von Sexfilmen aus.
Interessant ist: Der Sonntag scheint für viele User ein Non-Porn-Day zu sein. Jedenfalls werden in den Regionen mit den meisten Kirchbesucher*innen am siebten Tag der Woche bedeutend weniger Sexclips und Pornobilder gestreamt als an den Werktagen.
All dies bedeutet freilich nicht, dass man es ausschließlich in den „roten“ (also republikanisch dominierten / regierten) Bundesstaaten erotisch krachen ließe. Doch offenbar gibt es durchaus einige Unterschiede im Pornokonsum. Und nicht nur dort, auch wenn es um das nicht monogame Ausleben der eigenen Sexualität gibt, weichen die Regionen je nach politischer Färbung voneinander ab: In den demokratisch dominierten / regierten Bundesstaaten neigt man eher zur Buchung von Prostituierten, während man in republikanischen Staaten eher in den Swingerclub geht.
Zu den Gründen für diese statistischen Auffälligkeiten können auch die Studienmacher keine vollumfängliche Antwort liefern. Man kann aber davon ausgehen, dass diese extremen Facetten einander kompensieren und in gewisser Weise für ein inneres Gleichgewicht sorgen.
Wie viel Porno geht unter Trump?
Auch der 2024 zum zweiten Mal gewählte US-Präsident ist ein Beispiel für die Ambivalenz im Hinblick auf Erotik und Sexualität. So scheint seine gerichtlich wie medial umfassend behandelte Episode mit dem Pornostar Stormy Daniels auch für erzkonservative Amerikaner*innen kein Grund gewesen zu sein, sich bei der Präsidentschaftswahl diesmal anders zu entscheiden. Ganz im Gegenteil, Trump hat deutlicher gewonnen, als viele Demoskop*innen es vorhergesagt hatten.
Natürlich wird kaum jemand an der Wahlurne stehend über den eigenen Pornokonsum sinniert haben, doch vielleicht wäre genau das tatsächlich sinnvoll gewesen. Immerhin fordert die bekannteste konservative Denkfabrik der Vereinigten Staaten im „Project 2025“ ein vollständiges Pornoverbot – und zwar inklusive harter strafrechtlicher Konsequenzen.
Zwar ist nicht zu befürchten, dass Donald Trump die Ideen dieses Thinktanks 1:1 umsetzen wird, trotzdem ging man in der Pornoindustrie auf die Barrikaden. Über die Website „Hands off my Porn“ (Hände weg von meinen Pornos) fordert sie eindringlich: Lasst sie nicht kontrollieren, was ihr anschaut! Dass man es durchaus ernst meinte, beweisen beachtliche Zahlen: 17 Pornodarsteller*innen trugen rund 100.000 Dollar für eine Kampagne in sieben vornehmlich oder tendenziell konservativen Bundesstaaten zusammen. Auf dortigen
Pornowebsites warnte man deutlich vor einer möglichen Zensur durch die nächste Zentralregierung.
Natürlich betrachtete man diese Kampagne im Team Harris durchaus mit Wohlwollen. Immerhin ergab auch eine Umfrage des konservativen „American Enterprise Institute“, dass von den 18- bis 29-jährigen Männern 44 % mindestens einmal im Monat Pornos konsumieren, bei den 30- bis 49-Jährigen liegt der Wert sogar bei 57 %.
Wie man weiß, konnte man auch mit dieser Initiative keine ausreichende Änderung des Wahlverhaltens erreichen. Gerade in den konservativen Bundesstaaten entschied sich eine Mehrheit der Wahlbevölkerung für die Republikaner und den Kandidaten Donald Trump. Vielleicht spielte es eine Rolle, dass im Wahlprogramm der Republikaner kein Pornoverbot zu finden war – und der Einfluss von Project 2025 auf die die meisten Wähler*innen nicht klar ersichtlich war (und ist).
Auch eine durch den designierten Vizepräsidenten J.D. Vance 2021 als Senator des Bundesstaates Ohio getroffene Aussage sorgte für weniger Aufhorchen als vermutet: "Die Kombination von Pornos und Abtreibungen haben im Grunde eine einsame, isolierte Generation hervorgebracht, die nicht heiratet, keine Familien gründet und gar nicht richtig sicher ist, wie man miteinander umgeht."
Nun bleibt abzuwarten, ob und auf welche Weise die neue Administration gegen die Pornoindustrie zu Felde ziehen wird – und wie weite Teile der eigenen Wählerschaft mit möglichen Porno-Verboten umgehen werden.
Ist ein Pornografie-Verbot im Sinne der Darsteller*innen?
Laut einem gerade in religiös-konservativen Kreisen gerne verbreiteten Narrativ sind vor allem die weiblichen Protagonisten in Sexfilmen zutiefst unglückliche Menschen, die in ihrer eigenen Kindheit mit sexueller Gewalt konfrontiert waren. Bezogen auf die kalifornische Pornoindustrie ist das jedoch weitestgehend unzutreffend. Eine repräsentative Umfrage kommt klar zu dem Schluss, dass die dortigen Pornodarstellerinnen nicht unglücklicher sind als andere Frauen – und auch der Zusammenhang mit sexueller Gewalterfahrung im Kindesalter kann nicht aufrechterhalten werden.
Freilich kann man die Situation der kalifornischen Pornostars (beziehungsweise der Pornodarsteller*innen) nicht auf sämtliche in der Branche tätigen Menschen übertragen: In vielen Ländern ist man als Pornodarstellerin oder -darsteller tatsächlich noch heute ein Mensch zweiter Klasse. Diese Tatsache spielt jedoch keine Rolle, wenn das gefilmte oder fotografierte Material über das Internet in alle Welt verbreitet wird. Auch im amerikanischen „Bible Belt“ konsumiert man Unmengen an Sexfilmen und Porno-Pics, die unter mehr als fragwürdigen Bedingungen entstanden sind. Daher sollte den politisch Verantwortlichen (nicht nur in den USA) sehr an einem offensichtlich
fairen und funktionierenden Pornobusiness wie in Kalifornien gelegen sein – denn das kann in vielen Aspekten als internationales Vorbild dienen.