Zwar haben viele Menschen schon einmal von Tantra gehört. Dennoch wissen nur wenige wirklich, was dahintersteckt. Wer eine grobe Ahnung hat, verbindet den Begriff meist direkt mit stundenlangem Sex und erotischen Massagen. Und obwohl sie damit nicht vollkommen falschliegen, steht die sexuelle Befriedigung beim Tantra nicht im Vordergrund. Eher geht es dabei um die Sinnlichkeit, Wahrnehmung und Selbstliebe.
Was ist Tantra?
Tantra ist eine altindische Lehre, die sich wahrscheinlich aus buddhistischen und hinduistischen Einflüssen entwickelt hat. Der Begriff „Tantra“ bedeutet im Sanskrit so viel wie „Zusammenhang“, kann aber auch als „Ausdehnen“ oder „Befreien“ gedeutet werden. Da die sexuelle Energie als die stärkste von allen gilt, nutzt das Tantra sie als Weg zur Selbsterfahrung.
Tantriker*innen bedienen sich daher gern dieser Energie, um spirituelle Erlebnisse zu fördern und ihr Bewusstsein zu erweitern. Sex gilt im Tantra daher als heiliger Akt und fokussiert sich nicht auf das Befriedigen von Lust oder das Erreichen von Orgasmen. Vielmehr geht es darum, die aufgestaute Energie zu bündeln und als neue Kraftquelle zu nutzen.
Wie funktioniert es?
Die wohl bekanntesten Methoden des Tantra sind die tantrische Massage und der Tantra-Sex. Beide gehören zum sogenannten „roten Tantra“:
- Bei der tantrischen Massage gibt es eine gebende (die*der Masseur*in) und eine nehmende Person. Die Gebende verwöhnt die Nehmende mit einer Ganzkörpermassage, bei der auch die Genitalien nicht ausgeschlossen bleiben. Beide sind während der Massage nackt. Der Fokus liegt dabei nicht auf der sexuellen Befriedigung, sondern auf dem Spüren und Erleben. Die Berührungen sind aufmerksam und sinnlich, nicht wild oder harsch.
- Der Tantra-Sex ist vorrangig aus dem Kamasutra bekannt, weshalb ihn viele Menschen auf diverse, teilweise verknotet wirkenden Stellungen reduzieren, die man unter Umständen stundenlang halten kann. Denn auch hier geht es um das Freisetzen und Erleben von Energie. Sex gilt im Tantra als heiliger Akt der Vereinigung und wird daher sehr respektvoll zelebriert.
Allerdings kann man Tantra im Alltag nicht nur auf sexuelle Art und Weise praktizieren. Beim „weißen Tantra“ stehen nämlich vorwiegend Achtsamkeitsübungen, Meditation, Tanzen und Musik zwecks der Bewusstseinsstärkung und dem
sinnlicheren Empfinden selbst kleinster Dinge im Fokus.
Für wen ist Tantra interessant?
Tantra ist weder eine Religion noch ein Kult und daher für jeden Menschen offen. Wer sich nach mehr Sinnlichkeit sehnt oder ein tiefergehendes sexuelles Erlebnis haben möchte, findet im Tantra ähnlich wie in der
Karezza eine Methode, bei der Performance keine Rolle spielt. Paare können dadurch ihr Vertrauen zueinander stärken und ihre Leidenschaft neu entfachen. Sie lernen sich auf einer neuen Ebene kennen und verbinden sich nicht nur mit dem Körper, sondern auch mit dem Bewusstsein ihrer*ihres Liebsten.
Singles können die Verbindung zu sich selbst sowie ihre Selbstwahrnehmung vertiefen. Durch die Freisetzung der Energie lassen sich mithilfe von Tantra auch Hemmungen, emotionale Blockaden und Ängste überwinden.
Was muss man dabei beachten?
Gerade beim roten Tantra, bei dem es oft zu erotischen Berührungen und Sex kommt, stehen Respekt und Gesundheit an erster Stelle. Wer eine Tantra-Massage annimmt, ist in der Rolle des Nehmenden und darf die*den Masseur*in nicht zu sexuellen Handlungen drängen. Anders als in vielen Pornos dargestellt, muss es dabei nämlich kein „Happy End“ geben. Beim tantrischen Sex gilt wie immer beim Geschlechtsverkehr „Safer Sex“, und obwohl das Tantra selbst keine Grenzen setzt, müssen alle Beteiligten die persönlichen Grenzen der anderen stets respektieren.