Es ist noch gar nicht lange her, da waren graue Haare ein klares Merkmal für das Älterwerden. Als die Lebenserwartung im Vergleich zu heute noch bedeutend kürzer war, fiel die Verknüpfung leicht: Diese Person ist ihrem Tode deutlich näher als der eigenen Jugend. Ein Haarfärbemittel erschien in diesem Zusammenhang wie ein optischer Jungbrunnen. Heute erscheint (Silber-)Grau fast als Trendfarbe, was man früher nie für möglich gehalten hätte. Aber warum gibt es so viel Grau in der Welt - und hat die Farbe wirklich Sexappeal?
(K)eine Farbe der Vergänglichkeit?
Über viele Generationen hinweg schien die Sache klar: Bunte Farben signalisieren Lebendigkeit, Grau, Braun und Schwarz hingegen stehen für Verfall und Tod. In dieses Bild passt der farbenfrohe Frühling ebenso wie der dunkle, schmutziggraue Winter. Und alte Fotos zeigten eine sprichwörtlich graue Vergangenheit.
Da wundert man sich nicht über den hohen Stellenwert bunter Farben. „Du hast den Farbfilm vergessen!“, schimpfte Nina Hagen in einem legendären DDR-Ohrwurm und das Farbfernsehen erschien wie ein technisches Wunder. Es lag auf der Hand, dass diese ‚Entdeckung der Farbe‘ eine Wirkung bei den Menschen hinterließ – und dass graue Haare irgendwie nicht in dieses neue Bild passten.
Heute sind bunte
Farben längst zu einer Selbstverständlichkeit geworden, die stellenweise sogar zu einer Rückbesinnung auf das monochrome Farbschema führt. Beispiele sieht man beim Blick aus dem Fenster, wo graue Autos an grauen Häusern vorbeifahren. Und viele dieser Autos werden von grauhaarigen Menschen gesteuert. Doch all das ist mitnichten ein Zeichen für eine alternde Gesellschaft, sondern folgt einem echten Trend …
Grau steht für Wertigkeit und Eleganz
Bei einem Großteil der Menschen gehören graue Haare zum Lauf des Lebens. Anders als in ‚grauer Vorzeit‘ verabschieden sich die zuvor blonden, roten, braunen oder schwarzen Farbpigmente aber nicht erst am Ende, sondern bereits in der Mitte der eigenen Lebensspanne, der gestiegenen Lebenserwartung sei Dank.
Damit hat sich auch die Wertigkeit der neuen Haarfarbe verändert: Heute nimmt man sie verstärkt als Zeichen von Reife und Beständigkeit wahr. Mit einem entsprechenden Styling und dem passenden Outfit kann man diese Wirkung noch zusätzlich unterstreichen. Dieser Effekt ist natürlich auch Designer*innen und Architekt*innen bekannt. Das schier omnipräsente Grau ist also kein Zeichen von langweiliger Einfallslosigkeit.
Übrigens ist der ‚Mut zum Grau‘ ein seltenes Beispiel, bei dem die Männer eine modische Vorreiterrolle übernommen haben. Zuerst standen immer mehr Männer zu ihrer natürlichen Ergrauung, dann folgten zunehmend auch Frauen diesen Vorbildern. Und eine wachsende Zahl junger Menschen kann die eigene Grauwerdung offenbar gar nicht abwarten: Bei Haarfärbemitteln gehören Silber und Grau schon seit einigen Jahren zu den beliebtesten Kolorationen. Lady Gaga hat es vorgemacht und erweist sich auch in dieser Hinsicht als Stilikone.
Ist Grau wirklich sexy?
Auf diese Frage gibt es keine einheitliche Antwort. Allerdings wird Grau zunehmend als eine ‚normale‘ Haarfarbe ohne Sonderstatus wahrgenommen. Auch hier spielt es aber offenbar eine wichtige Rolle, ob es sich um ein natürliches Grau oder um eine bewusst aufgetragene Haarfarbe handelt. Der Schauspieler George Clooney etwa konnte mit (oder durch?) sein grau werdendes Haar deutlich an Popularität gewinnen und gilt längst als
Sexsymbol.
Diese Vermutung äußert auch die amerikanische Autorin Anne Kreamer, die in einer Dating-Community mit natürlich grauen Haaren deutlich mehr Zuschriften erhielt als mit gefärbtem Kopfputz. Und sie hat eine Vermutung, den Grund dafür zu kennen: Authentizität. "Ich glaube, die Männer schöpfen dann leichter Vertrauen", sagt sie. "Sie wissen, was sie kriegen."
Kreamer und Clooney stehen also zu ihren grauen Haaren – und befinden sich damit in guter Gesellschaft.
Frauen |
Männer |
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Birgit Schrowange |
Walter Sittler |
Judi Dench |
Jürgen Klopp |
Andie MacDowell |
Pierce Brosnan |
Mery Streep |
Eric Dane |
Helen Mirren |
Richard Gere |
Jamie Lee Curtis |
Don Johnson |
Es gibt bei den genannten Personen allerdings noch eine weitere Gemeinsamkeit: Alle achten genau auf ihren eigenen, authentischen Stil. Denn ein schmuddeliger, ungepflegter Look ist alles andere als
erotisch – und zwar ganz unabhängig von der Haarfarbe.
Und wie grau wird die Zukunft?
Leider gibt es noch keine Glaskugel, mit der man modische Trends vorhersagen könnte. Die Haarfarbe ist dabei keine Ausnahme. Es ist aber recht wahrscheinlich, dass graue Haare immer weniger als Symbol für das Altern wahrgenommen werden. Willkommen in der grau-bunten, alterslosen Realität.