Oft setzt man im Wortsinn Himmel und Hölle in Bewegung, wenn es um das Hervorheben von erotischen Besonderheiten geht. Ob in klassischer Kunst und Literatur, auf der kinky Party oder im Schlafzimmer, vielerorts geben sich Engel und Teufel sprichwörtlich die Klinke in die Hand. Oft sogar mehr als das: Ein näherer Blick zeigt, dass es sich bei himmlischer Erotik und teuflischer Lust keineswegs um Antipoden handelt.
Himmlische Lust: die sanfte, engelsgleiche Verführung
Erotik ist definitiv die himmlischste Form der Sünde. So gelten
- Prinzessinnen,
- Feen,
- Elfen oder
- Engel
einerseits als Inbegriffe von Schönheit und Unschuld, andererseits stellen sie zentrale Elemente der lustvollen Verführung dar. Und das nicht erst seit heute: Zwar mussten sich große Maler der Renaissance, etwa Botticelli, Raphael oder Leonardo da Vinci, mit der Darstellung unverblümter Erotik sehr zurückhalten.
Das hinderte sie aber nicht daran, Engelsbildnisse voller Reinheit, Schönheit und himmlischer Anmut entstehen zu lassen. An diesem Faszinosum hat sich bis heute nichts geändert: Anmutige wie verführerische Engel werden in nahezu allen Kunstbereichen tagtäglich aufgegriffen. Und sie haben auch in die Popkultur längst Einzug gehalten, wie Songs von
Westernhagen |
Rammstein |
Johannes Oerding |
Helene Fischer |
Pur |
Hubert Kah |
Robbie Williams |
Miley Cyrus |
Abba |
Shaggy |
Coldplay |
Aerosmith |
und vielen anderen beweisen. Wohlgemerkt: Nicht immer geht es um die sinnliche Verführung, in vielen Songs steht vor allem die wahre, reine, ehrliche Liebe im Mittelpunkt.
Ähnlich verhält es sich mit der Darstellung von Elfen und Feen, die sogar (da es hier keinen religiösen Kontext gibt) eine noch größere künstlerische Freiheit zulassen. Hier gibt es zahlreiche Beispiele für Figuren mit widersprüchlichen Charakterzügen. So vereint bereits Shakespeares Feenkönigin Titania aus „Ein Sommernachtstraum“ die zerbrechliche Unschuld mit einer würdevollen
Dominanz. Dies findet sich in ähnlicher Form auch in Tolkiens „Herr der Ringe“: Hier ist die Elbenprinzessin Arwen das beste Beispiel für den Dreiklang zwischen Unschuld, Stärke und Erotik.
Es verwundert nicht, dass ‚himmlisch‘ anmutige Wesen wie Engel, Feen und Elfen längst auch Einzug in die Pornografie gefunden haben. Auch dort stehen sie für Zartheit, Anmut und sanfte Verführung. Naheliegend, dass man dabei auf hauchzarte, oft transparente Dessous in ‚unschuldigem‘ Weiß (oder dazu passenden, hellen Farben) setzt. Die engelsgleiche, so zarte wie
begehrenswerte Braut fügt sich.
Teuflisch geil: die dunkle Seite der Erotik
Auf der anderen Seite des Spektrums findet man die düstere, geheimnisvolle, zuweilen gefährliche Form der Erotik. Auch die ist keineswegs ein Novum: Bereits in Dantes „Göttlicher Komödie“ finden sich zahlreiche Anklänge von so dämonischen wie verführerischen Höllenwesen. Ein weiteres frühes Beispiel ist das Gemälde „Die Verführung des Heiligen Antonius“ als dem 15. Jahrhundert, in dem der Protagonist von bizarren, aber sinnlichen weiblichen Wesen umschmeichelt wird.
Auch diese Faszination hält sich bis in die heutige Zeit. Daher ist die Anzahl der ‚höllischen‘ Beispiele aus der Popkultur nicht geringer als im himmlischen Bereich.
Saltatio Mortis |
Lord of the Lost |
ACDC |
Enigma |
Slipknot |
Kanye West |
INXS |
Judas Priest |
Metallica |
Kreator |
Diese Liste ließe sich ebenfalls sehr weit fortsetzen. Auffällig dabei: Fast immer handelt es sich um in jeder Hinsicht härtere Musik, die eher nicht im Radio gespielt wird – anders als viele ‚himmlische‘ Klänge. Doch meistens ist es auch gar nicht das Ziel, einen Mainstream zu bedienen, die Zielgruppe ist dennoch breit gefächert. Ein nicht unerheblicher Teil fällt auf die Fetisch- und BDSM-Szene, denn in vielen BDSM-Clubs und -Studios gehört die ‚höllische‘ Musik ebenso zum Soundtrack wie entsprechende Outfits und Accessoires.
Hierbei dominiert die Farbe Schwarz, oft im Zusammenspiel mit Knallrot und dunkleren Rottönen. Auch das Material besitzt nicht die Leichtigkeit, wie sie unter Elfen, Feen und Engeln vorherrschend ist. Lack, Leder, Latex und metallische Elemente spielen eine wichtige Rolle. Dunkler Samt und die verschiedensten Schnürungen sorgen zusätzlich für das gewisse Etwas.
Und in vielen Clubs spiegelt auch das Ambiente eine regelrecht höllische Leidenschaft. Typische Attribute sind dunkle Wände, ein schweres, ebenfalls dunkles Interieur,
BDSM-Möbel vom Käfig bis zum Andreaskreuz und historisch anmutende Kronleuchter.
Sanfte Dämonen und teuflische Engel: Die Grenzen sind fließend
Hell, anmutig, sanft und verführerisch auf der einen, dunkel, hart und gefährlich lüstern auf der anderen Seite?
Ja, die himmlische und die höllische Erotik existieren nebeneinander, bewegen sich aber nicht in vollkommen getrennten Universen. Tatsächlich gibt es sogar zahlreiche Berührungspunkte zwischen beiden Bereichen – und die haben auf sehr viele Menschen einen ganz besonderen Reiz. Und das nicht erst in der heutigen Zeit: Schon die Entführung Europas durch Zeus (in Gestalt eines Stiers) vereint Schönheit und Anmut mit eindeutiger Durchsetzungskraft. Auch Dantes „Göttliche Komödie“ muss man hier ein weiteres Mal erwähnen, denn hier durchläuft der Protagonist bekanntlich nicht nur sämtliche Bereiche der Hölle, sondern wird hernach auch durch das Paradies geleitet.
Nicht weniger ambivalent sind viele Schriften des
Marquis de Sade: Der Namensgeber des Sadismus‘ wirft an vielen Stellen die Frage auf, ob das Böse womöglich eine andere Form des Guten darstelle. Ein berühmtes und in diesem Zusammenhang vieldiskutiertes Werk des Marquis de Sade ist „Justine oder vom Missgeschick der Tugend“. Für viele Leser*innen stehen zudem Werke wie
- „Madame Bovary“ von Gustave Flaubert,
- „Anna Karenina von Leo Tolstoi“ oder
- „Das goldene Notizbuch“ von Doris Lessing
für das Motiv der ‚Heiligen Hure‘, das Tugendhaftigkeit und Wollust in sich vereint.
Natürlich speist sich die heutige
Erotik aus diesen und anderen Beispielen. Sie sind auch eine Grundlage für Figuren wie die wollüstige Nonne, den schwarzen Engel oder den romantischen Dämon. Bei diesen und anderen ‚himmlisch bösen‘ Figuren ist es kein Widerspruch, beide Seiten in sich zu vereinen. Zumal die ‚diabolische‘ Seite zwar mit höllischen Motiven spielen, aber keine wirklichen Verletzungen an Körper oder Seele verursachen darf.