Es gab wohl kaum Zeiten, in denen Sex so offen diskutiert wurde wie heute. Internet-Artikel oder Podcasts über sexuelle Gesundheit, Erfahrungen und Vorlieben gibt es inzwischen wie Sand am Meer. Und obwohl dadurch sicherlich das Allgemeinwissen zum Thema Erotik gestärkt wird, fehlt noch immer die Akzeptanz für gewisse Kinks. Dementsprechend ist Kink Shaming weit verbreitet und kann nicht nur das Sexleben der Betroffenen, sondern auch ihr Selbstbewusstsein negativ beeinflussen.
Was ist Kink Shaming?
So wie jeder Mensch eine andere Vorstellung von einem schönen Tag hat, hat auch jeder eine andere Vorstellung davon, wie guter Sex aussieht. Die Unterschiede beschränken sich nicht nur auf bestimmte Sexstellungen, sondern können verschiedene
- Toys,
- Spielarten
- oder Fetische
beinhalten.
Eine Vorliebe, die vom regulären „Vanillasex“ abweicht, bezeichnet man daher als „Kink“. Ein Kink könnte in etwa ein Schuh-, Latex- oder Zungenfetisch sein. Alternativ kann es sich aber auch um ein Faible für eine bestimmte
Gruppensexpraktik, ein Rollenspiel, Dirty Talk oder harten Sex handeln.
Zum Kink Shaming kommt es in diesem Zusammenhang dann, wenn jemand bestimmte Vorlieben verspottet oder schlecht macht. Auch das Hänseln von Personen mit Kinks oder sogar das Beleidigen eben jener gehört zum Kink Shaming. Es handelt sich dabei also sozusagen um eine Art von Mobbing, die auch
- dem „Fatshaming“ oder „Bodyshaming“
- oder im sexuellen Kontext dem „Slut Shaming“
ähnelt, bei dem man Frauen für die Anzahl ihrer Sexpartner*innen verurteilt.
Was sind die Auswirkungen?
Wie andere Mobbing-Formen auch kann das Kink Shaming schwere Auswirkungen auf das Selbstbild und die psychische Gesundheit der Betroffenen haben.
Der Kink Shamer (sei er männlich, weiblich oder divers) kreiert, basierend auf seiner eigenen Meinung, einen Maßstab davon, was im Bett normal, beliebt oder akzeptabel ist. Das kann nicht nur bei der tatsächlichen Zielperson für Schamgefühle sorgen, sondern auch andere verunsichern, die diesen Kink teilen. Und selbst Personen mit einem anderen oder keinen Kinks können sich eingeschüchtert fühlen, ihre sexuellen Vorlieben auszuleben.
Und nicht nur das: Je nach Grad des Kink Shaming kann es sich nicht nur auf die Psyche des Betroffenen, sondern auch auf deren Beziehungen und Alltag auswirken. So haben manche Menschen wegen der unerwünschten Veröffentlichung ihres Kinks sogar schon ihren Job verloren.
Wie kann es aussehen?
Kink Shaming kann auf eine bestimmte Person abzielen oder sich auf den Kink im Allgemeinen beziehen und dabei das (Online-) Hänseln einer Person im Alltag oder am Arbeitsplatz beinhalten. Häufig kommt es auch dazu, dass jemand Menschen mit einem Kink gegen ihren Willen vor anderen outet, sodass eine noch stärkere negative Dynamik inklusive Gruppenspott entsteht Aber auch das öffentliche Bekanntmachen der Ablehnung einer Meinung einer bestimmten Person kann schon zum Kink Shaming zählen.
Verbreitete Kink-Shaming Aussagen sind zum Beispiel:
„Nur jemand mit Daddy-Issues findet Sex mit Älteren heiß – und wer auf Jüngere steht, ist ganz klar pädophil.“
„Es geil zu finden sich beim Sex erniedrigen zu lassen ist doch ein Zeichen für Kindheitstrauma.“
„Wer sich ins Gesicht spritzen lässt, hat wahrscheinlich keinen Selbstwert.“
„Ein richtiger Mann würde nicht auf Dominas stehen.“
„Für Sex während der Menstruation muss man es schon echt nötig haben.“
Zu den Kinks, die besonders oft unter Beschuss stehen, gehören
- Schuh- oder Fußfetische,
- der Cameltoe-Fetisch
- oder auch die Vorliebe für Natursekt oder Exkremente.
Zudem werden Personen, die auf BDSM, Ageplay oder Rapeplay stehen werden häufig verspottet und als „krank“ bezeichnet.
Kink Positivity im eigenen Leben
Oft sagen Dinge, ohne über ihre mögliche Wirkung nachzudenken. Und ja, – meist weiß man nicht, ob und wer im eigenen Umfeld einen Kink hat. Man sollte sich jedoch bewusst machen, dass Kinks sehr häufig sind und selbst solche Dinge, die man selbst vielleicht als „ekelig“ oder „krank“ empfindet, oft weiter verbreitet als erwartet sind.
Ein guter Anfang in Richtung Kink Positivity wäre es also, wenn man zuweilen einfach keinen Kommentar zum Thema sexuelle Vorlieben der anderen macht oder mittels einer Aussage wie: „Solange alle Parteien es auch wollen, soll doch jeder machen, was er will“, neutral bleibt.
Und das kann sich auch auf die eigenen Beziehungen positiv auswirken. Freund*innen fühlen sich bei einem direkt sicherer und wohler. Die*der (Sex-)Partner*in erhält die Chance, eigene Fantasien freier zu äußern oder sogar selbst zu entwickeln. Denn selbst wenn man die Vorliebe nicht teilt, kann schon deren alleinige Akzeptanz für ein besseres Liebesleben sorgen. Und wer weiß, vielleicht entdeckt man so ja auch bei sich selbst einen neuen Kink?