Verführerisch, stark, potent, dominant – die Liste an Aspekten, die man mit Stieren und Bullen in Verbindung bringt, ist lang. Und dementsprechend gibt es viele mehr oder weniger erotisch angehauchte Erzählungen, die man mit ihnen in Verbindung bringt. Nicht zu vergessen, dass sie auch in den Bezeichnungen für viele sexuelle Spielarten Einzug gehalten haben – Stichwort Bull bei Cuckold-und-Hotwife-Szenarien. Logisch also, dass wir das Ganze etwas genauer unter die Lupe genommen haben.
Wie ist es um das mythologische Potenzial des Stiers bestellt?
Ob bei den alten Ägyptern, Mesopotamiern oder Griechen: Der Stier spielté in vielen ihrer religiös-mythologischen Werken eine wichtige Rolle, da man in mit Stärke, Fruchtbarkeit, Macht und männlicher Schönheit in Verbindung brachte. Je nach kulturellem Kontexte ergaben sich daraus aber unterschiedlich starke Gewichtungen der einzelnen Aspekte.
- Die alten Ägypter etwa verehrten den Apis-Stier (speziell in Memphis) als Fruchtbarkeitssymbol und als lebende Götter-Verkörperung. Dabei brachte man ihn nicht nur, aber auch aufgrund seiner Stärke, mit Ptah und später auch Osiris in Verbindung, und widmete ihm einen zentralen Platz in verschiedenen religiösen Ritualen.
- In mesopotamischen Kulturen wie bei den Akadiern oder den Babyloniern stand der Stier (zum Teil auch in Form von Stiermenschen) für Krieg, Stärke und Tapferkeit. Diese Stiermenschen konnten sowohl gegen die Götter kämpfen als auch gutartige, beschützende Dämonen darstellen und waren daher ein wohl beliebter Bestandteil verschiedener Helden- und Götterdarstellungen.
Und auch die antike griechische Mythologie kannte zahlreiche Geschichten von Stieren und Stiermenschen, die wiederum die verschiedensten Facetten von erotischer Potenz und Verführung, Macht, Stärke, körperlicher Gewalt und Heldenmut widerspiegeln. Besonders nennenswert sind dabei
die Verführung von Europa durch Zeus, der sich in einen Stier verwandelt und sie nach Kreta bringt |
das Einfangen des kretischen Stiers durch Herakles, das eine der ihm gestellten zwölf Aufgaben darstellt |
die Tötung des Minotaurus in seinem Labyrinth durch Theseus, der damit die Stadt Athen von einer blutigen Tributforderung seitens der Kreter unter König Minos befreit |
oder die Stiere von Colchis, die der Gott Hephaistos erschuf und die Jason und seine Argonauten bezwingen müssen |
Lange Rede, kurzer Sinn: Der Stier gehörte – ähnlich wie der Löwe – aufgrund seiner Stärke, Kraft und (wütenden) Potenz zu den Tieren, die eng mit den Göttern verbandelt waren und zum Teil auch von diesen geschickt wurden, um die Menschen zu verführen oder zu bestrafen. Und keine Frage, dass es dann ein Job für echte Helden war, diese Stiere zu bezwingen.
Sidekick am Rande? Noch heute gibt es Heldenfiguren, bei denen mehr oder weniger deutliche Anspielungen auf diese antiken und vorantiken Geschichten erkennbar sind – Stichwort Indiana Jones mit seiner
Bullwhip. Es kommt also nichts weg und die Anlehnungen an Stiere und Bullen haben nichts von ihrem unterschwellig-erotischen Charme verloren. Was sich auch an den Bezeichnungen verschiedener sexueller Spielarten und Rollen erkennen lässt.
Was ist mit der sexuellen Potenz von Stieren und Bullen?
Keine Frage, dass man nicht lange zu suchen braucht. Schon die
Astrologie benennt Menschen mit dem Sternzeichen Stier als sinnliche Liebhaber*innen, die Wert auf körperlich intensive und leidenschaftliche Nähe und Genuss legen und sich durch eine besondere Ausdauer auszeichnen würden.
Aber das ist natürlich nicht alles, denn wie sich schon aus den mythologisch-religiösen Aspekten in verschiedenen Kulturen entnehmen ließ, haben die meisten Menschen noch einen ganz anderen Eindruck von Stieren und Bullen: den von einer ausgeprägten Männlichkeit, die in einer engen Verbindung mit körperlicher Stärke, Macht und Dominanz steht. Und wenn es auch gerne einmal im Bett „
Mach‘ mir den Hengst“ heißt – wenn es um Dom-dev-Komponenten geht, bemüht man doch eher den Bullen als das Wildpferd. Dazu aber im nächsten Abschnitt noch etwas mehr. Zurück zu zwei wesentlichen Faktoren:
- dem Macht-, Kontroll- und Dominanzaspekt, Stichwort Bull in der Cuckolding-Konstellation
- und dem Fortpflanzungs- und Domestizierungsaspekt, bei dem der HumanBull das Gegenstück zur HumanCow darstellt.
Es zeigt sich also auch hierbei, dass Stiere und Bullen keine Kuscheltiere sind, die man sich auf den Schoß setzt, lieb hat und bei denen einem mehr oder weniger das Herz aufgeht. Stattdessen sind ihre Stärke, ihr Durchsetzungsvermögen und ihre Potenz gefragt. Indes: Haben wir das nicht schon an einer anderen Stelle gehört?
Bull oder Hengst – wo ist da der Unterschied?
Laut der
Tiertypen im Kamasutra ist der Hengst noch eine Nummer besser bestückt als der Stier und führt damit die Liste der Männer mit dem größten Schwanz an. Sorry, Hase! ;) Aber auch ansonsten lässt sich ein gewisser Unterschied ausmachen.
Zwar gelten beide als aktiver maskuliner Part in BDSM- und/oder Gruppensexszenarien. Beim Bull geht man jedoch von noch mehr Dominanz in Kombination mit Macht und Kontrolle aus als beim Hengst, bei dem vorrangig seine (sexuelle) Vitalität und Virilität im Fokus steht. Das lässt sich unter anderem daran erkennen, dass die Hengste bei
Stutenmarkt-Veranstaltungen zwar den Stuten, nicht aber anderen Beteiligten gegenüber auftreten. Das ist beim Bull innerhalb einer Cuckold-Konstellation schon anders, dort toppt dieser sowohl die Hotwife als auch den Cuckold.
Für beide Fälle und Bezeichnungen muss man aber festhalten, dass die damit verbundenen Prinzipien nur durch die Anerkennung und damit verbundenen Interaktionen durch andere funktionieren. Das eigene Selbstverständnis hat natürlich seine Daseinsberechtigung; um sich indes tatsächlich in der entsprechenden Rolle ausleben zu können, braucht es jedoch, wie angesprochen, ein passgenaues Pendant.