Blau? It’s a boy! Es fängt schon beim populären Gender-Reveal an: Entpuppt sich das Innere des Kuchens oder die Farbe, die aus der Konfetti-Kanone schießt, als Blau, erwartet das Paar einen Jungen. Ist es Rosa, kommt, natürlich, ein Mädchen. Aber ist das wirklich eine so ausgemachte Sache, die seit Jahrtausenden in Stein gemeißelt ist?
Die Geschichte von himmelblauen Mädchen
Im Kinderladen scheint es eindeutig zu sein, dass für Mädchen kein Weg an Rosa, Pink, Rot und Lila und für Jungs an Blau, Grün, Braun oder Schwarz vorbeiführt. Selbst bei den Erwachsenen lässt sich diese Farbzuordnung erkennen. In der Männerabteilung werden Arbeitshemden vorwiegend in Blautönen verkauft. Klamotten und
Unterwäsche in Rot gelten dagegen bei den Frauen als besonders sexy.
Dass es jemals anders war, können sich viele nur schwer vorstellen. Immerhin lernen wir schon von klein auf, welche Farben angeblich zu welchem Geschlecht gehören. Dabei kam diese Zuteilung erst etwa in den 1940er Jahren in Schwung. Denn wenngleich Rot und Blau schon lange als die Farben zur ‚eindeutigen‘ Geschlechtertrennung gelten, war die Unterteilung früher aber noch genau andersherum. Schaut man sich historische Kinderfotos an, in etwa die von König Charles II., sieht man Jungen oft in Rosa oder Rot – und auch mal im Kleid. Denn selbst Kleider waren bei ihnen ebenso angesehen wie bei Mädchen. Diese hingegen trugen vorwiegend zarte Blautöne.
Die Idee dahinter? Rot ist die Farbe des Bluts und signalisiere daher
Männlichkeit und Stärke. Demnach war das damals „kleine Rot“ genannte Rosa für junge, männliche Kinder – immerhin trug auch das Jesuskind Rosa. Blau hingegen war die Farbe der Jungfrau Maria und somit für die Frauen und Mädchen bestimmt.
Selbst 1918 schrieb das „Ladies´ Home Journal“ noch:
„Die allgemein akzeptierte Regel ist Rosa für Jungen und Blau für die Mädchen. Der Grund dafür ist, dass Rosa als eine entschlossenere und kräftigere Farbe besser zu Jungen passt, während Blau, weil es delikater und anmutiger ist, bei Mädchen hübscher aussieht“.
Und auch 1927 zeigte eine Tabelle im „Time Magazine“ Farbempfehlungen für die Geschlechter – inklusive der Erkenntnis, dass Rosa eine Jungen- und Blau eine Mädchenfarbe sei.
Wie Rosa wieder zur femininen Farbe wurde
Als im Zweiten Weltkrieg die Männer als Soldaten kämpfen mussten, fielen ihre Aufgaben zu Hause und auf der Arbeit ihren (Ehe-) Frauen zu. Dabei bot sich Blau als Frauenfarbe weiterhin an, denn der Farbton ließ sich für Arbeitsanzüge einfach und günstig herstellen. Sobald die Männer aus dem Krieg zurückkehrten und ihre Arbeit wieder übernahmen, ergab ein Tausch Sinn – auch weil die Anzüge der Marine ja blau waren. Selbst die Denim-Jeans, welche zuerst von den Männern getragen wurden, waren dunkelblau. Aber will man seine Sachen wirklich wieder herausrücken? Hm …
Ganz passend und clever kam hier Mamie Eisenhower Spiel, um die Frauen von diesem Tausch zu überzeugen. So gab die Ehefrau des 34. US-Präsidenten in den 1950ern an, dass Rosa ihre Lieblingsfarbe sei. Sie zeigte sich gern in der früheren Männerfarbe – egal ob bei öffentlichen Veranstaltungen oder bei der Hausarbeit. Und da sie als die Vorzeige-Hausfrau schlechthin galt, stürzten sich die Marketing-Unternehmen nur so auf diese Möglichkeit. Im Handumdrehen mauserte sich Rosa zur Farbe der glücklichen Hausfrau …
Und wer trägt jetzt in Zukunft was?
Ob es in Zukunft wieder einen Tausch geben wird, ist fraglich. Nicht weil die Vorstellung der Geschlechterfarben bei der Bevölkerung so klar eingemeißelt ist, sondern weil sie immer mehr verschwindet. Inzwischen gelten rosa- und pinkfarbene Hemden bei Männern als stylish und zeugen von (manchmal schon fast ein wenig zu) viel männlichem
Selbstbewusstsein. Und es wurde auch schon die eine oder andere Braut ausgemacht, die in blauer Kleidung heiratete. Einfach, weil sie’s mag und ihr die Farbe besser steht als einfach nur Weiß.
Zudem stehen speziell bei jüngeren Generationen die Geschlechterrollen und das bei der Geburt zugeordnete Geschlecht immer häufiger auf dem Prüfstand. Nicht zu vergessen, dass sich androgyne Mode sowie Crossdressing- oder
Dragqueen-/ -king-Events zunehmender Beliebtheit erfreuen. Wobei es vorrangig um das kreative Spiel und den Ausdruck der jeweils ureigensten, individuellen Identität geht.
Und dabei sind alle Farben für alle da. Denn schließlich wollen wir doch alle ein fröhliches, buntes Leben, in dem wir uns wirklich wohl in unserer Haut und unseren Outfits fühlen, weil sie uns stehen und wir uns selbst gut darin gefallen. Oder?