Die eigenen Vorzüge durch einen ausdrucksstärkeren Blick betonen? Die eigene Macht präsentieren? Oder doch die Augen vor der Sonne und unliebsamen Insekten schützen? Das Augen-Make-up hatte alles im Gepäck. Kein Wunder, dass es dadurch auf eine Geschichte zurückblickt, die vermutlich sehr weit zurückreicht. Wann genau die ersten Frauen und Männer zur Gesichtsverschönerung griffen, ist noch nicht umfassend geklärt. Wohl aber ist festzuhalten, dass bereits in der Steinzeit Ocker oder Kohle entsprechend genutzt wurden. Wahrscheinlich, um die Augen vor der Sonne zu schützen und so bei der Jagd besser sehen zu können. Doch spätestens in den Epochen danach entfaltete es auch sein erotisches Potenzial …
Von (fast) göttlichem Ursprung: Das Make-up bei den alten Ägyptern, Römern und Griechen
Eine gemeinsame Hieroglyphe für die Schönheit und den Gott der Sonne, Ra: Das Auge brachte in der ägyptischen Schrift zusammen, was in der Vorstellung der Menschen offenbar eng zusammengehörte. Kein Wunder also, dass die Priester im Zuge der Religionsausübung mit der Herstellung des Augen-Make-ups betraut wurden. Noch heute gilt der lange, bis zu den Schläfen hinreichende Lidstrich als eines der bekanntesten körperlichen Attribute der Ägypter. Bei denen übrigens sogar die Männer Make-up als Sonnen- und Insektenschutz auflegten. Besonders bekannt für ihr anmutiges und sinnliches Auftreten ist aber zweifelsfrei Kleopatra. Ob ein Bad in Stutenmilch, das Auflegen von blauem und grünem Augen-Make-up oder das Anwenden anderer Schönheitskuren … Sie wusste offenbar, wie sich Macht und Schönheit effektiv miteinander kombinieren ließen.
Ein ähnliches Bewusstsein dafür entwickelte sich in den Kulturen der antiken Griechen und Römer. Also in Kulturen, die sich bei den Ägyptern in puncto Schminke fürs Gesicht einige Anregungen holten. Dunkle, ausdrucksstarke Augen wie bei
Kleopatra und Unibrauen erfreuten sich dabei besonderer Beliebtheit. Sie wurden vor allem mit zerstoßenen Mineralien, aber auch mithilfe von Kohle oder Ruß erzeugt. Zudem galten sie als Symbol die verführerische Mischung aus Macht und Schönheit. Eine Mischung, wie sie oftmals auch im BDSM eine wichtige Rolle spielt. Und tatsächlich ging es in den antiken Kulturen in puncto Make-up wie Erotik durchaus abwechslungsreich und nicht prüde zu. Man denke nur an das etruskische Tomba della Fustigazione (Grab der Züchtigung), das im 6. Jahrhundert vor Christus entstand und sich bei Rom befindet.
Somit bleibt festzuhalten, dass die sinnliche Seite des Augen-Make-ups definitiv geschätzt wurde. Eine Ansicht, die im Mittelalter zumindest in Mittel- und Nordeuropa die Probe gestellt wurde …
Das Make-up als mittelalterliches Teufelszeug?
Bei den Ägyptern, Griechen und Römern war das Augen-Make-up religiös-kulturell wie auch ästhetisch positiv besetzten. Doch dieses Bild kippte im Laufe des Mittelalters zunehmend. Ein wesentlicher Grund dafür lag darin, dass die Kirche die sinnliche Gesichtsverschönerung als potenzielles
Teufelswerk einstufte. Eine Einstufung, die sich jedoch nicht in der Kunst aller Unterepochen im gleichen Maß widerspiegelt.
Zwar kannte die karolingische Kunst (circa 740 bis 900) bereits viele religiöse Bildmotive. Dennoch wurden die Menschen sowie weltliche und religiöse Figuren noch nach dem römischen Idealbild dargestellt. Die Unibraue lässt also noch grüßen. Im Gegenzug herrschte ab der romanischen Kunst (etwa 1000 bis 1250) ein Gestaltungsschema vor, das ohne körperliche und räumliche Ästhetik auskam. In der gotischen Kunst (circa 1235 bis 1525) dagegen wurden wieder mehr hellere Farben, mehr Perspektive und vor allem realistischere, lebensechtere Figuren präsentiert.
Merke also: Die noble Blässe war bei den Adeligen des Hochmittelalters durchaus beliebt. Bei Adeligen, die zu den bekanntesten Mittelalter-Repräsentanten insgesamt zählten. Relativ passend zur kirchlichen Grundlage ging es in literarischen Werken wie dem
Nibelungenlied oder Gottfrieds
Tristan weniger um das direkte Auflegen von Make-up. Dennoch wurde sehr gekonnt mit der Farbsymbolik im Zuge des Spiels des Erbleichens und Rotwerdens bei (heimlicher) Liebe getrickst.
Und auch für das einfachere Volk spielte das Augen-Make-up immer noch eine Rolle. Dann eben in der dezenten Form, die dem Sich-hübsch-Machen und dem Verdecken von kleinen Makeln wie Narben diente. Man durfte nur nichts nehmen, was sehr auffällig gewesen wäre, weil es ansonsten nach eitler Sündhaftigkeit ausgesehen hätte. Doch selbst das wurde mit schöner Regelmäßigkeit getan. Dann eben von
Prostituierten oder experimentellen Adligen beziehungsweise Künstlern. „Sex sells“ galt schließlich zu allen Zeiten und das Augen-Make-up war ein gut ersichtlicher Beweis dafür …
Natürlich schön oder knallig-bunt: Das Augen-Make-up in Renaissance, Barock und Rokoko
Die mittelalterliche Vorliebe für die vornehme Blässe in Kombination mit einem ovalen Gesicht setzte sich in der Renaissance in etwa fort. Wenig geschminkte Augen, schmale Lippen, eine hohe Stirn, gezupfte Augenbrauen und blonde, zu kunstvollen Frisuren drapierte Haare. Das war es, was Frauen erotisch und faszinierend machte. Etwas, was sich unter an den Abbildungen von Lucrezia Borgia (1480 bis 1519) und Caterina Sforza (1463 bis 1509) sehr gut erkennen lässt. Schön, mächtig bis skrupellos und sexuellen Ausschweifungen gegenüber nicht abgeneigt – und das ohne Augen-Make-up …
Aber: Die Zeiten änderten sich und in Süd- und Mitteleuropa wurde bald wieder zur Schminke gegriffen. Was unter anderem an der nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) wieder aufkeimenden Lebenslust lag. Diese drückte sich in puncto Körperästhetik unter anderem in Perücken, reichlich Puder und stark geschminkten Augen aus. Wimperntusche, Kajal und Lidschatten in knalligen Blau- und Grüntönen sei Dank.
Im Rokoko dagegen ging es dann schon wieder etwas filigraner zu – was jedoch nicht bedeutete, dass auf Farbe verzichtet wurde. Denn insbesondere braune und schwarze Wimpern und rosa oder gelb geschminkte Lider ließen den weiblichen Augenaufschlag besonders sexy ausfallen.
Alles ist möglich: Das Augen-Make-up der Neuzeit
Natürliche, nicht zu dünne Augenbrauen, ein dünner Lidstrich und ein heller Lidschatten – im 18. Jahrhundert mochte man es natürlich. Somit überraschte es nicht, dass vor allem – wie es in den Jahrhunderten zuvor der Fall war, – Schauspielerinnen und Prostituierte zum Make-up für die Augen griffen.
Doch ab dem 20. Jahrhundert wurde das Make-up für die breitere Frauenmasse von Interesse. Und so kam es dazu, dass die Experimentierfreude immer mehr zunahm. Gute Beispiele dafür sind unter anderem
- die Smokey Eyes der 1920er,
- die Cat Eyes der 1950er,
- der Disco-Look der 1970er,
- der Grunge-Look der 1990er
- oder der Nude-Look der 2000er.
Merke: Erlaubt ist, was gestaltbar ist und was gefällt. Ein Ansatz, der bis ins 21. Jahrhundert hinein andauert und der weiterhin kreative und inspirierende Ideen und Umsetzungen fördert. Was nicht zuletzt auch an der (eindeutig zweideutigen) Literatur liegt. So erweist sich das Make-up unter anderem in
Die Geschichte der O als absolut relevant für das Erzeugen und das Entfalten der erotischen Stimmung. Denn wenn O zu rotem Lippenstift, schwarzem Lidschatten und reichlich Wimperntusche greift, um ihre Augen und ihren Mund besonders zu betonen, kann man sich sicher sein, dass dies einen bestimmten Hintergrund hat …