Die Geschichte von Sexspielzeug reicht bis in die Frühzeit der Menschheit zurück. Forscher*innen gehen davon aus, dass bereits in der Steinzeit passend geformte Steine oder Früchte für die Selbstbefriedigung genutzt wurden. Wirklich Fahrt aufgenommen hat das Thema allerdings erst in deutlich jüngerer Vergangenheit. Besonders spannend? Der Umgang mit Sextoys spiegelt auch immer das aktuelle Zeitgeschehen wider. So verlief die Entwicklung von der jungen Bundesrepublik bis in die Gegenwart.
1950er-Jahre
In den 1950er-Jahren prägten Prüderie und Konservatismus die deutsche Gesellschaft; Sexspielzeug war dementsprechend ein gesellschaftlich nicht akzeptiertes Tabuthema. Dennoch gab es bereits einige Produkte auf dem Markt, etwa meist aus Gummi oder Leder gefertigte, billig produzierte Vibratoren. Auch konnte man sie nur auf verschlungenen Wegen erwerben, etwa in zwielichtigen Etablissements oder illegalen Sexshops. Das lag unter anderem daran, dass diese Produkte nicht oder nur sehr subtil beworben wurden, weil dies sonst die Zensur oder den Unmut der Behörden auf sich gezogen hätte.
1960er-Jahre
Die 1960er-Jahre brachten in Deutschland einen bedeutenden gesellschaftlichen Wandel mit sich, der auch vor dem Thema Sexspielzeug nicht Halt machte. Die damit verbundene sexuelle Revolution führte zu einer offeneren und liberaleren Einstellung und dazu, dass Menschen ihre damit verbundenen Bedürfnisse und Wünsche näher erkundeten.
Ebenso wichtig: Immer mehr Personen nahmen Sex zunehmend als Mittel zur sexuellen Erfüllung und Selbstexploration angesehen. Zudem verbreitete sich die Idee, dass die sexuelle Befriedigung wichtig für das allgemeine Wohlbefinden ist, immer weiter. Dieser neue Geist der Freiheit und Experimentierfreudigkeit führte dazu, dass mehr Menschen bereit waren, Sexspielzeug auszuprobieren. Indes: Die Einstellung gegenüber Sexspielzeug lockerte sich jedoch nur sehr langsam.
Vibratoren aus Plastik eroberten allmählich den Markt und wurden zu beliebten, wenngleich zunächst versteckten Accessoires in den Schlafzimmern. Plastik ermöglichte eine größere Vielfalt an Formen, Farben und Texturen. Die neuen Vibratoren waren leiser, hygienischer und einfacher zu bedienen. Vibratoren erwarb man heimlich in wenigen, meist schmuddeligen Sexshops. Aber auch große Versandhäuser nahmen erste Sextoys in ihre Kataloge auf.
1970er-Jahre
Die 1970er-Jahre erwiesen sich in Deutschland als eine Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs, in der sich die neue sexuelle Offenheit der 1960er-Jahre fortsetzte. Das zeigte sich unter anderem daran, dass Sexspielzeug zum in den Mainstream-Medien diskutierten Thema wurde. Zeitschriften, Zeitungen und sogar Fernsehsendungen begannen, über die Vorteile und den Spaß von Sexspielzeug zu sprechen. Dieser neue Grad an öffentlicher Aufmerksamkeit trug dazu bei, das Stigma weiter zu reduzieren und es zu einem akzeptierten Teil der sexuellen Kultur werden zu lassen.
Neben Vibratoren und Dildos, die bereits in den vorherigen Jahrzehnten beliebt waren, kamen in den 1970er-Jahren auch andere Arten von Sexspielzeug wie Liebeskugeln, Penisringe, Fesselspiele und Co. auf den Markt. Und auch bei den Materialien gab es eine bemerkenswerte Entwicklung, Stichwort Silikon als weicher und hautfreundlicher Kunststoff. Der Clou daran? Silikon erwies sich einerseits als leicht zu reinigen und zu pflegen; andererseits brachte es aber auch eine angenehme Textur mit. Und natürlich nicht zu vergessen, dass es den Herstellern ermöglichte, Toys in verschiedenen Farben, Formen und Größen zu entwerfen. Das führte zu einer noch größeren Auswahl für Verbraucher*innen, wobei sich auch andere weiche Kunststoffe, wie PVC und Jelly, als interessant erwiesen.
1980er-Jahre
Die 1980er-Jahre waren eine Blütezeit für die Sexspielzeug-Industrie in Deutschland. Das lag daran, dass man immer offener über Sextoys sprach. Außerdem nahm deren gesellschaftliche Akzeptanz nicht zuletzt durch deren Thematisierung in Zeitschriften, Büchern und Filmen immer weiter zu. Das erwies sich sowohl für große Unternehmen mit einer breiten Produktpalette als auch für kleine, aber fein spezialisierte Boutiquen als vorteilhaft.
Und was waren die wesentlichen Trends?
- die enorme Zunahme der Vielfalt beim Sexspielzeug: Von realistischen, in Form und Textur echten Penissen nachempfundenen Dildos bis zu Hightech-Vibratoren mit verschiedenen Geschwindigkeitsstufen und Funktionen war alles dabei.
- die Weiterentwicklung der genutzten Materialien: Silikon blieb aufgrund seiner Hautfreundlichkeit und Vielseitigkeit ein beliebtes Material. Aber auch andere Materialien wie medizinisches Glas, Edelstahl und sogar Holz wurden nun verwendet und boten eine breitere Palette von Texturen, Gewichten und Empfindungen.
- die Einführung von wasserdichten Sexspielzeugen: Sie waren ebenfalls ein gern genutztes Novum der Dekade. Kein Wunder, konnte man die Toys in der Badewanne oder Dusche verwenden und so das sexuelle Erlebnis noch abwechslungsreicher gestalten.
1990er-Jahre
In den 1990er-Jahren setzte sich der Trend fort, sodass sich Sexspielzeug zum festen Inventar in diversen (Solo-) Beziehungen wurde. Das lag daran, dass die Produkte immer ausgefeilter und technologisch fortschrittlicher daherkamen. Zudem präsentierten die Hersteller aber auch vermehrt Paar-Sexspielzeuge, deren Fokus auf der Verbesserung der sexuellen Erfahrung beider Partner*innen lag. Infolgedessen erfreuten sich insbesondere Penisringe mit Vibrationsfunktionen, Partner-Vibratoren und andere Toys, die für gemeinsame Erkundungen konzipiert waren, immer größerer Beliebtheit.
In diesem Zusammenhang konzentrierten sich die Hersteller verstärkt auf die Entwicklung von hochwertigen, langlebigen Sexspielzeugen mit großem Funktionsumfang. Darunter fielen etwa Vibratoren mit unterschiedlichen Vibrationsmodi, Geschwindigkeiten und Mustern. Ferner ließen sich erste Sextoys außerdem per (Kabel-)Fernbedienung fernsteuern.
Gleichzeitig kam es jedoch auch zu einer Rückbesinnung auf natürliche Materialien. Holz und Glas punkteten vermehrt mit ihrer Umweltfreundlichkeit und davon, als körperfreundlichere Kunststoffalternativen eingeschätzt zu werden. Nicht zu vergessen, dass diese Materialien ebenso einzigartige Texturen und Empfindungen und damit auch neue sinnliche Erfahrungen boten.
2000er-Jahre
Das populärer werdende Internet hatte in den 2000er-Jahren einen tiefgreifenden Einfluss auf die Sexspielzeug-Industrie in Deutschland. Das Online-Shopping verwandelte den Markt und machte es möglich, Sexspielzeug diskret und bequem von zu Hause aus zu erwerben. In der Konsequenz wuchs die Auswahl an Produkten in einem vorher nicht für möglich gehaltenen Tempo. Eng damit verbunden? Die immer stärkere Verbreitung von damit verbundenen Informationen via Online-Communitys und -Foren. Ob durch den reinen Plausch, den Austausch von konkreten Erfahrungen mit verschiedenen Produkten oder das Empfehlen – das Wissen über Sexspielzeug nahm zu und immer mehr Menschen nutzten die für sie nun zugänglichen Informationen.
Besonders beliebt, weil immer noch etwas exotisch, aber online leicht erhältlich? Bondage-Ausrüstung, wie Fesseln, Peitschen und Augenbinden, Sexmaschinen und hochwertiges, luxuriöseres Sexspielzeug. Primär Produkte aus der letzten Kategorie erwiesen sich oft als teurer, waren in Form von Edelstahl, 24-karätigem Gold oder sogar Juwelen aber häufig der letzte Schrei im Nachttischschrank.
2010er-Jahre
In den 2010er-Jahren setzte sich der Trend fort, das Thema Sexspielzeug weiter zu enttabuisieren und in der Gesellschaft offen zu diskutieren. Dies geschah nicht nur am Küchentisch oder über die klassischen Medien, sondern zunehmend auch über Blogs, Podcasts und in der Social Media. Dabei kam es zu einer zunehmender Fokussierung auf hochwertige, sichere und innovative Produkte. Das Bewusstsein für nachhaltige und umweltfreundliche Materialien wuchs weiter, was die Hersteller gern aufgriffen.
Das lag unter anderem daran, dass Verbraucher*innen zunehmend auf die potenziellen Gesundheits- und Umweltgefahren durch bestimmte Materialien, primär auf Weichmacher und andere Schadstoffe, aufmerksam wurden. In der Konsequenz stieg die Nachfrage nach sicheren und natürlichen Alternativen wie medizinischem Silikon, ABS-Kunststoff, Holz und Glas. Ebenso spielte die Nachhaltigkeit spielte eine größere Rolle, weshalb sich einige Marken auf die Herstellung von umweltfreundlichen und biologisch abbaubaren Sexspielzeugen spezialisierten. Dies äußerte sich etwa in der Verwendung von recycelten Materialien, wiederaufladbaren Batterien und Verpackungen sowie im Angebot von veganen Produkten.
Doch schloss das die kontinuierliche technische Weiterentwicklung aus? Keineswegs, denn die stand ebenso wie innovative Designs eindeutig mit im Vordergrund des Interesses. Dies bekamen speziell die erste App-gesteuerten Toys zu spüren; einige davon ließen sich sogar schon mit virtueller Realität und interaktiven Funktionen synchronisieren. Kurz gesagt: Die Möglichkeit, Sexspielzeuge mit dem Internet der Dinge zu verbinden, eröffnete neue Möglichkeiten für Fernsteuerung und personalisierte Erfahrungen, von denen wir bis heute profitieren.
Gegenwart
Im heutigen Deutschland ist Sexspielzeug weitgehend akzeptiert und leicht zugänglich. Die Branche ist innovativ und reagiert auf die Bedürfnisse und Wünsche der Verbraucher*innen, was zu ständigen neuen und aufregenden Entwicklungen führt. Überdies bietet eine Vielzahl von Onlineshops und stylishen Fachgeschäften ein breites Sortiment an Produkten für alle Geschlechter und sexuellen Vorlieben an.
Und auch, wenn es auf den ersten Blick nicht so aussah, sorgte tatsächlich auch die Coronapandemie für einen weiteren Sprung nach vorn. Dem physischen Abstand der Menschen zueinander sei Dank, zumal die Kommunikationswege und die Sextoys inzwischen so ausgereift waren, dass selbst diejenigen, die noch nie Kontakt zu ihnen gehabt hatten, diesen Schritt nun vermehrt gingen.
Fazit? Was kommt, was bleibt?
Innovationen im Bereich der Technologie haben zu noch fortschrittlicheren Sexspielzeugen geführt. App-gesteuerte, mit Smartphones verbindbare Toys sind weitverbreitet; die Integration von Virtual Reality und interaktiven Funktionen schreitet voran und zeigt immer mehr von ihrem Potenzial. Positiv am Ganzen? Das Bewusstsein dafür, dass Sexspielzeug gleichermaßen sicher wie gesundheitlich unbedenklich wie lustvoll sein sollte, ist geblieben. Umso mehr ist es zu begrüßen, dass die Aufklärung in puncto Sex und die richtige Verwendung der erotischen Lustbringer noch stärker als bisher betont werden (sollen). So können hoffentlich auch die nächsten Generationen in den möglichst sicheren wie unbefangenen Genuss der erotischen Lustbringer kommen.