Bei der Disziplin (im Englischen auch Discipline) handelt es sich um einen wesentlichen Kernaspekt des BDSM, der in BDSM-Beziehungen auch häufig eine größere Rolle spielt. Dabei geht es darum, dass die*der Top Regeln aufstellt, die wiederum von der*dem Bottom eingehalten werden sollen. Gelingt dies, folgt eine Belohnung; bricht die*der Bottom die Regeln, wird sie*er diszipliniert, also bestraft. Die Idee dahinter ist es, dass die*der Bottom lernt, ihren*seinen eigenen Willen besser zu beherrschen und die eigenen Gefühle und Impulse besser zu kontrollieren. Grundlage dafür ist aber natürlich, dass die*der Top die Einhaltung der Regeln auch wirklich sorgsam kontrolliert.
Was ist Disziplin?
Wesentlicher Bestandteil der Disziplin beim BDSM Ansatz ist es, dass es einen übergeordneten und einen untergeordneten Part gibt. Der Übergeordnete (Top) legt Regeln fest, die der Untergeordnete (Bottom) anerkennt und nach denen er sich richtet. Der Knackpunkt dabei ist allerdings, dass weniger die*der Top, sondern der Respekt vor den Regeln im Mittelpunkt steht. Zwar ist es eine wesentliche Aufgabe, der*des Tops die Einhaltung der Regeln zu kontrollieren und bei Bedarf Verstöße dagegen zu ahnden (Disziplinierung). Dennoch geht es primär darum, dass die*der Bottom Selbstdisziplin lernt und zunehmen Kontrolle über seinen Geist und Körper gewinnt. Ziel des Ganzen ist es, sich nicht von anderen, positiver empfundenen Impulsen ablenken zu lassen, sondern klar auf Kurs zu bleiben, auch wenn dies zunächst unangenehm oder beängstigend erscheinen mag.
In diesem Zusammenhang spielen Bestrafungen bei Regelverstößen und Lob oder Belohnungen beim Einhalten der Regeln eine wesentliche Rolle, zumal beide zu nachhaltigen Verhaltensänderungen in die idealerweise gewünschte Richtung beitragen können.
Was muss man über das Regelkonstrukt wissen?
Ein konkret für alle Beteiligten geltendes Regelwerk gibt es in Bezug auf die Disziplin genauso wenig wie die große schwarze BDSM-Bibel selbst existiert. In der Konsequenz darf sich also jedes Paar seine eigenen Regeln überlegen, die wiederum davon abhängen sollten, welche Aspekte unter die individuellen Tabus oder Must-Haves fallen.
Tendenziell ist im Rahmen von BDSM davon auszugehen, dass sowohl die Regeln als auch die Verbote einen erotischen Bezug haben. Im Prinzip ist es aber auch möglich, Dinge aus dem Alltagsleben zu nehmen und in die Arbeit mit der Disziplin einzuarbeiten und dadurch quasi zu „erotisieren“. Vergleichsweise gängig sind dabei unter anderem die folgenden Varianten.
Regeln |
Verbote |
oft für 24/7 oder TPE relevante Aspekte |
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Kleidervorschriften |
Pornoverbot |
Ernährungs- und/oder Diätplan |
Körperpflege-Aspekte |
Selbstbefriedigungsverbot |
Trainingsplan für den Sport |
sexuell-erotisches Verhalten (wie das Einnehmen bestimmter Posen) |
Orgasmusverbot |
Rauchverbot |
Welche Methoden kann man zur Durchsetzung nutzen?
Besonders häufig finden hierbei – wie bereits angesprochen – Strafen und Belohnungen Anwendung. Die Bestrafungen beziehen sich dabei sehr häufig auf physische Aspekte, Stichwort „
Englische Erziehung“, können aber auch aus anderen Bereichen stammen. In diesem Zusammenhang finden beispielsweise die gleich genannten Ideen Anwendung.
Vorher jedoch noch ein Wort zur Frage, was Strafe und was Belohnung sein kann. Auch das ist wieder individuell. Schon allein deshalb, weil ein*e masochistische*r Buttom in einem ausgiebigen Spanking eine echte Belohnung sehen kann, während ein*e Nichtmasochist*in sich dadurch durchaus bestraft fühlen kann. Folglich ist ein umfangreiches Vorabgespräch- und regelmäßiges Update sinnvoll, damit sich der „Maßnahmenkatalog“ des Tops in einem geeigneten Rahmen bewegt und die Disziplinierung auch tatsächlich verfängt.
Schläge |
weitere Schmerzreize |
Lustreize und Demütigungen |
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Spanking |
Figging |
Liebeskugeln / Analplugs |
Rohrstock |
Elektrostimulation |
Rimming |
Peitschen |
Wachsspiele |
Forniphilia (Degradierung zum Objekt wie einem Möbelstück) |
Bastonade |
Strappado |
ignorieren |
Wie anhand der Liste deutlich geworden sein dürfte, sind die Optionen im Bereich der körperlichen Disziplinierung besonders vielfältig. Doch auch im psychischen Bereich lässt sich einiges tun, man denke etwa an verbale
Erniedrigungen oder an die Zuteilung von unerotischen Aufgaben, die körperlich nicht unbedingt anspruchsvoll, der*dem Sub aber eigentlich sehr zuwider sind. Immerhin ist ja nicht jede*r ein*e begeisterte*r
Putzsklav*in …
Worin liegt die besondere Herausforderung?
Wesentlich bei der Disziplin ist es, dass die*der Top Regeln aufstellt, die einerseits herausfordernd und anspruchsvoll sind, andererseits aber auch prinzipiell erfüllt werden können und die physische wie psychische Gesundheit der*des Bottoms nicht gefährden. Ebenso kommt es darauf an, dass die*der Top auch auf deren Einhaltung achtet und Verstöße dagegen tatsächlich konsequent ahndet. Dabei ist es wiederum wesentlich, dass diese Ahndung kalkulierbar ist, in den Rahmen der Absprachen passt und im rechten Maß geschieht.
Dies ist insofern von Bedeutung, als es vollkommen normal und menschlich ist, dass die*der Bottom manche Regeln und deren Einhaltung zuweilen infrage stellt. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass es sich bei der Disziplin nicht um eine BDSM-Komponente nach dem Motto „Wünsch dir etwas“ handelt.
Vielmehr muss die*der Bottom lernen, sich an die Regeln zu halten – und das selbst dann, wenn diese ihren*seinen Wünschen oder Vorlieben widersprechen. Wer sich also auf der „untergebenen“ Seite für Disziplin interessiert und diese in sein persönliches BDSM einbauen will, sollte sich daher darüber bewusst sein, dass die eigene Impulskontrolle dabei im Fokus stehen wird. Und dass deren Training ihr*ihm sicherlich auch öfter sehr viel abverlangen wird.
Worauf muss man bei der BDSM-Komponente Disziplin achten?
Wie bei anderen BDSM-Komponenten, ist Einvernehmlichkeit bei der Disziplin von größter Bedeutung. Ebenso sollten die psychische und physische Gesundheit aller Beteiligten jederzeit gewahrt bleiben. In diesem Zusammenhang auch noch ein Wort zu den Grenzen: Es empfiehlt sich nicht, die Disziplin dazu zu nutzen, der*dem Bottom darüber in ein Verhalten zu treiben, was ihr*ihm tiefgreifender widerstrebt. Vielmehr ist es sinnvoll, sich (zumindest) zunächst in einem Rahmen zu bewegen, der zwar für beide Seiten herausfordernd sein kann, allerdings nicht dafür sorgt, dass aus der Machtausübung ein Machtmissbrauch wird.