Bei Herr*in und Serf handelt es sich um BDSM-Kontext um das Paar mit dem größten Machtgefälle. Letztere*r, eine „leibeigene“ Person, nimmt dabei eine sehr passiv-submissive Rolle ein und übergibt ihrer*seiner Herrschaft weite Teile der Kontrolle über das eigene Leben. Die*der Herr*in dagegen hat die dominante Rolle inne. Er*sie führt das submissive Gegenüber mithilfe des Setzens klarer Grenzen, das Geben klarer Anweisungen und schreckt bei Bedarf auch nicht vor drastischen Disziplinierungen zurück. Dabei steht jedoch immer die konstruktive emotionale und physische Entwicklung der*des Servants im Mittelpunkt. Ein häufiger Wunsch hinter einer solchen BDSM-Beziehung ist folglich das Erleben von Macht und Kontrolle innerhalb eines sicheren, respektvollen und einvernehmlichen Rahmens.
Was zeichnet ein*e Herr*in aus?
Fordernde, dominante Personen im BDSM-Kontext nennt man Herr*innen. Aber auch die englischen Entsprechungen Master beziehungsweise Mistress sind im deutschen Sprachraum gängig. Ihre Pendants sind die Serfs (Servants). Mit diesen führen sie in der Regel eine 24/7-Beziehung. Mit anderen Worten: Abgesehen von wenigen Ausnahmen (zum Beispiel für die Berufsausübung) kontrolliert die*der Herr*in das gesamte Leben des Gegenübers.
Ähnlich wie eine klassische Beziehung entsteht auch das Master-Slave-Verhältnis normalerweise nicht aus heiterem Himmel, sondern entwickelt sich erst im Laufe der Zeit. Die vorausgehende Phase des Kennenlernens ist zumeist auch eine Zeit des Trainings, in der die*der Herr*in ihre*n Serf den eigenen Ansprüchen gemäß formt. Schon in dieser Zeit, spätestens aber nach dem Ende der Ausbildung, die unter anderem regelmäßige
Disziplinierungen beinhalten kann, hat die*der Servant alle an sie*ihn gerichteten Aufgaben ohne Widerworte auszuführen. Dabei kann es sich um Botendienste, Hausarbeiten, aber auch um sexuelle Dienstleistungen handeln.
Was macht eine *n Serf aus?
Der`*die Servant (oder kurz Serf) im BDSM-Kontext ist eine Person, die sich in der frei verfügbaren Zeit komplett in die Kontrolle eines dominanten Gegenübers begibt. Auch wenn die Bezeichnung in diesem Fall keine juristische Legitimation bedeutet, verstehen sich Serfs als das Eigentum ihrer*ihres Herr*in, also im Prinzip als Leibeigene. Als solches stimmen sie auch einer Kennzeichnung zu, etwa in Form des getragenen „
Rings der O“. Seltener, aber durchaus nicht unüblich, ist auch die Kennzeichnung in Form von Piercings, Tattoos oder gar Brandings.
Wie kommt das Ganze zustande?
Zwar kann man beim Blick auf so manches Profil in einer Dating-Community den Eindruck gewinnen, dass eine solche Herrschaftsbeziehung aus einer spontanen Vereinbarung heraus entsteht. Doch nahezu immer tastet man sich – wie etwas im Rahmen einer
Female-Led-Relationship (FLR) – erst einmal an die Sache heran. Anschließend hält man vertraglich die möglichen Aufgaben und Grenzen beider Seiten fest. Mit der Kennzeichnung übergibt sich der*die Servant anschließend in die Befehlsgewalt des dominanten Gegenübers.
Neben der rein privat geführten Herrschaftsbeziehung gibt es noch verschiedene Alternativen: Einige professionelle
Dominas bieten Verträge mit potenziellen Serfs gegen Bezahlung an. Aus organisatorischen Gründen sind diese Beziehungen natürlich meistens nicht auf 24/7 ausgelegt, sondern auf einige Stunden oder Tage beschränkt. In dieser Zeit übernimmt die*der Serf die vertraglich vereinbarten Aufgaben. Dass sie*er zusätzlich dafür bezahlt, ist nur scheinbar ein Widerspruch. Denn immerhin geht es um die Erfüllung der eigenen erotischen Sehnsüchte.
Und was ist der Reiz daran?
Für die Beteiligten liegt der Reiz dieser Herrschaftsbeziehung in dem drastischen Machtgefälle. Die*der Herr*in kann die eigenen dominanten Neigungen umfassend ausleben, während die*der Servant in der Kontrolle durch das Gegenüber eine Erfüllung der devoten Sehnsüchte findet. Die Tatsache, dass der Master beziehungsweise die Mistress eine umfassende Entscheidungsgewalt innehat, spielt ebenfalls eine wesentliche Rolle. Dabei geht es jedoch weniger um die Ausübung extremer Gewalt, sondern um den Konjunktiv: Sie*könnte, wenn sie*er wollte …
Worauf muss man noch achten?
Jeder Mensch hat eigene Vorlieben und Tabus. Und es ist nicht gesagt, dass diese zwischen Herrr*in und Servant komplett zusammenpassen. Umso wichtiger ist es, offen über diese Punkte zu sprechen und sie vertraglich festzuhalten. Wichtigster Gegenstand eines solchen Vertrages ist der Tausch von Verantwortung gegen Vertrauen – natürlich stets im Rahmen von geltendem Recht, Gesetz und unter Berücksichtigung der physischen und psychischen Gesundheit aller Beteiligten. Dass ein solches Verhältnis nicht zwischen allen x-beliebigen Personen funktioniert, liegt auf der Hand. Sowohl für die dominante wie für die devote Seite gilt also: Wenn man sich seiner Sache nicht hundertprozentig sicher ist, sollte man sich nicht darauf einlassen.
Doch auch wenn man einen Master-and-Servant-Vertrag nicht auf die leichte Schulter nehmen darf, ist er nicht rechtlich bindend. Beide Seiten haben das Recht, das Verhältnis ohne jede Frist zu beenden.