„In dir steckt bestimmt auch so eine kleine Domina“, pflegte mein Herr Vater zuweilen zu sagen. Inzwischen weiß ich: Nein - es ist vielmehr eine ziemlich reine Sadistin. Aber der Reihe nach. Den Spaß, andere ausgewählte Personen zu piesacken und ihnen sowohl verbal als auch mit kleinen, aber feinen nervigen Körperlichkeiten auf die Nerven zu gehen, gönne ich mir schon seit ziemlich jungen Jahren. Und dass mich das durchaus auch in erotisch-sexueller Hinsicht kickt, das weiß ich ebenfalls schon seit Längerem. Aber das Peitschen und Rohrstock-Benutzen ist definitiv noch einmal eine eigene Liga für sich!
„Ich bin übrigens nicht nur bisexuell, ich bin auch Masochist“
Soso – das waren ja schöne Aussichten, als Stan mir relativ schnell nach unserem ersten Kennenlernen von seinen erotischen Vorstellungen berichtete. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn ich hatte eigentlich schon immer Lust auf Erotik, die nicht nur kuschelweich daherkommt. Was nicht bedeutet, dass ich deswegen ein besonderer D/s-Fan wäre, ganz im Gegenteil. Eigentlich hatte ich mich insgeheim bereits mehrfach gefragt, warum man denn „bestraft“ und/oder „erzogen“ werden müsse, um sich einfach mal den Ar… versohlen zu lassen oder eben denjenigen seines Gegenübers zum Brennen zu bringen. In dieser Hinsicht lag und liegt mein werter Herr Vater also vollkommen falsch – an mir ist garantiert keine erotische Erziehungsberechtigte verloren gegangen.
Aber das musste es ja auch nicht, damit ich mich ’mal mit jemandem in die Tiefen des sadomasochistischen Miteinanders vertiefen konnte. Und darüber freue ich mich bis heute einen Keks. (Bei der Gelegenheit, nicht, dass es da ein Missverständnis gibt: Ich habe keinerlei Problem mit Menschen, für die ihre Dominanz beziehungsweise Devotion wichtige Merkmale ihrer Persönlichkeit und ihres erotisch-sexuellen Ichs darstellen. Nur für mich selbst spielen diese Aspekte keine nennenswerte Rolle.) Denn irgendwie hatte ich es geschafft, mir einen angeblichen Masochisten als potenziellen Partner an Land zu ziehen und dass ganz ohne (m)eine explizite Absicht. Fein, fein :D !
Hand aufs Herz, also auf den Hintern
Wenngleich ich laut Angaben verschiedener Menschen ein recht offener und auch experimentierfreudiger Mensch bin, ist es eigentlich nicht meine Art, mit der Tür ins Haus zu fallen und innerhalb kürzester Zeit die „Befehlsgewalt“ an mich zu reißen. Und so war es denn auch tendenziell eher Stan, der zumindest die kommunikative Initiative ergriff und zwischendurch fragte, wie es denn so mit Spanking, Analfisting und Co. aussähe … Lange Rede, kurzer Sinn? Diverse Experimente verliefen durchaus befriedigend, auch wenn ich beim Erstellen eines Sextoy-Abdrucks meiner Hand mit eben jener fast nicht mehr aus der dafür notwendigen Röhre gekommen wäre.
Interessanterweise machten wir dabei die Feststellung, dass ich tatsächlich eher der Typ Sadist aus de Sades
Justine bin, der sich am meisten freut, wenn es sein Gegenüber nicht mehr freut. Somit musste ich fast ein bisschen lernen, mich von meiner einsichtsvollen Seite zu zeigen und den Wunsch nach genug auch wirklich genug sein zu lassen. Ein bisschen bedauerlich, aber natürlich ganz im Sinn der Sache. Dafür allerdings weniger geschickt: Ich neige dazu, bestimmt Schlagspiel-Werkzeuge wie Paddle erst einmal an mir selbst auszuprobieren.
Dabei habe ich festgestellt, dass eine gewisse Automasochistin vorhanden zu sein scheint. Aber die ist eher zimperlich. Die richtige Masochistin in mir kommt erst dann zum Vorschein, wenn es um Umtritte beim Fußball-Spielen oder ums Mit-den-Zehen-gegen-Tischbeine-Laufen geht. Nicht unbedingt das, was andere als besonders sexy empfinden, aber mei – jedem Tierchen sein Plaisirchen … Auf jeden Fall war Stan mit meinem Fingerspitzengefühl und meiner Zuverlässigkeit inzwischen so zufrieden, dass wir gemeinsam beschlossen, uns auch an die etwas härteren Schlagspiele zu wagen. Für diese Gelegenheit und diesen Versuch mieten wir uns in einer speziellen, ziemlich gut und geschmackvoll eingerichteten SM-Ferienwohnung ein, wo uns zunächst einen Überblick verschafften, bevor Stan mir folgende Frage stellte:
„Welches Schlagwerkzeug hättens denn gern?“
Eine Frage, die es im wahrsten Sinne des Wortes in sich hatte, stand und (speziell mir) doch eine ziemlich breite Auswahl an Gerten, Paddles und Floggern zur Verfügung. Und ja, es mag etwas idiotisch klingen, aber da ich damit nicht gerechnet hatte, ließ meine Entscheidungsfreudigkeit etwas zu wünschen übrig. „Was man als Sadistin so an Luxusproblemen haben kann …“, dachte ich innerlich kopfschüttelnd. Naja. Der Vorteil am Ganze war jedenfalls, dass ich mich und Stan sowieso erst einmal ein wenig einspielen wollte und das ging mit dem ganz klassischen Spanking doch immer noch am besten. Ich musste mich also nicht sofort entscheiden, als ich ihn in einer für uns beide (tssssss) praktischen wie bequemen Position an einem Holzgestell fixierte.
Und siehe da, die Probierfreudigen belohnen die Götter – genau gegenüber war ein ziemlich großer Spiegel angebracht. Wenn Stan also ein wenig den Kopf hob, konnte ich genau in sein Gesicht schauen. Das war zumindest für mich sehr hilfreich für den Anfang. Für ihn … naja. :D Aber immerhin durfte er sich darüber freuen, dass mir das Spanking per Hand und Paddle im wahrsten Sinne des Wortes schon etwas besser von der Hand ging und ich in puncto Intensität und Treffsicherheit schon an Kompetenz dazugewonnen hatte. (Wofür sich das Tischtennisspielen indirekt so lohnt …)
Wie schön also, wenn ein Masochist im Rahmen seiner Möglichkeiten doch recht zufrieden aussieht. Und wenn man sich als Sadist innerlich schon feierlich ausmalt, dass ihm der Spaß in absehbarer Zeit zumindest ein Stück weit vergehen wird. Nicht zu viel, keine Frage. Aber doch bitte so sehr, dass ich meinem eigenen Sadismus ein bisschen mehr frönen konnte. Somit überließ ich ihn für einen Moment seinem Warten, um mich den Floggern etwas intensiver zu widmen. Ich griff mir ein ziemlich klassisch anmutendes Modell (siehe Bild) und probierte einen kleinen, aber festen Schlag aus dem Handgelenk aus, der meine eigene Wade traf. Uhuhuhuh … nicht schlecht, Herr Specht!
Âne zuht? Von wegen
Wie wir spätestens seit Îwein und Sîvrid wissen, endet es selten gut (manchmal sogar richtig übel), wenn sich der Held maßlos präsentiert. Insofern hatte ich schon einen gewissen Respekt davor, richtig zuzuschlagen. Was ich mir vorher allerdings gar nicht so richtig klargemacht hatte – was aber genauso wichtig ist wie der Schlag an sich – ist der richtige Abstand. Beim Tischtennis- und Badminton-Spielen kann ich so etwas ganz ordentlich einschätzen, bei einem Paddle auch. Doch ein Flogger hat ein gewisses Eigenleben und so brauchte ich einige Anläufe, bis ich die passende Entfernung zu Stan gefunden hatte.
Seinem Gesichtsausdruck im Spiegel konnte ich jedenfalls entnehmen, dass mein noch etwas ungeschicktes Tun nicht ganz ohne Lehrgeld für den Hintern des Herrn Masochisten vonstattengegangen war. Indes: Übles getan hatte ich ihm nicht. Und bitteschön, die- oder derjenige, der auf Anhieb alle Schläge komplett präzise und am besten dosiert auf einen knackigen Hintern vollkommen ohne Übung hat niederprasseln lassen, möge sich melden. Dann setze ich ihr*ihm ein Denkmal und erweise ihr*ihm meinen größten Respekt. Ich war diese Person jedenfalls nicht. Was soll’s? :)
Ein paar Minuten später und ein paar Schläge mit regelmäßigen Abstandsanpassungen später hatte ich den Dreh dann im wahrsten Sinne heraus. Und ja, es ist etwas Wahres an der Theorie dran, dass mit dem Können auch die Lust am Tun zunimmt. Es war ja nicht so, als würde es mir keinen Spaß machen, Stan ein bisschen leiden zu lassen. Aber bitte mit Absicht und nicht aus Versehen, so was betrübt mein kleines pedantisch-perfektionistisches Sadistinnenherz.
Jedenfalls gefiel es mir immer besser, dass seine Stans gewisse „Angst“ vor mir berechtigter war und ich stellte fest, dass ich mit einem Flogger (und später auch einer Gerte) Schmerzen von einem ganz anderen Kaliber als nur mit Hand oder Paddle auslösen konnte.
Fazit?
Ja, ich geb’s zu – es erfüllt mich mit einer tiefen inneren Befriedigung, dafür zu sorgen, dass jemand am nächsten Tag vielleicht etwas weniger gern sitzt. Wobei es mir etwas schwerfällt, zu sagen, was genau da so das besonders Gute dran ist. Wahrscheinlich bin ich tatsächlich einfach gern ein wenig piesakös und ich mag es, wenn mein Gegenüber nicht genau einschätzen kann, was ihm (und seinem Hintern) blüht, obwohl ich ansonsten ein sehr zuverlässiger Mensch bin. Doch diesen gewissen Spielraum zu haben, zu machen, was ich will – das kickt mich schon sehr.
Dass ich da keinerlei erotisch-pädagogisch-erzieherischen Mehrwert mitbringe, das war mir schon vorher klar. Das erste gemeinsame Mal Flagellantismus war auch gar nicht so gedacht, sondern sowieso als reine SM-Session konzipiert. Insofern war sie ein schlagender, ich möchte sogar fast sagen durchschlagender Erfolg … wobei ich mir auch sicher bin, dass ich auch anders und tatsächlich übler könnte. Insofern leuchtet es mir ein, dass manche Menschen wirklich berechtigte Angst vor Sadist*innen haben und manch eine*r den Punkt, an dem der gemeinsame Spaß aufhört, wirklich nicht kennt oder sogar bewusst überschreitet.
Und das halte ich für absolut bedenklich. Angesichts dessen bin ich froh, dass Stan und ich da eine prima harmonierende Wellenlänge und auch den gleichen Zugang und Umgang mit dem Thema Lustschmerz und Flagellantismus haben. Gegenseitige Rücksichtnahme – selbst wenn’s mal richtig weh tut – inklusive. Wobei die kleine Sadistin in mir schon ein wenig weint, wenn sie daran denkt, dass sie eben doch nicht alles machen darf, was sie vielleicht manchmal möchte. Doch da muss sie dann durch und ihre eigene masochistische Seite ein wenig mehr zur Geltung bringen … ist ja gegebenenfalls auch ganz spannend.