Die meisten Paarbeziehungen hierzulande sind monogam ausgelegt. Davon grenzt sich die offene Beziehung (engl.: Open Relationship) ganz klar ab. Denn ‚offen‘ bedeutet hier, auch für erotische Kontakte mit anderen Menschen zugänglich zu sein – zumindest prinzipiell.
Was ist eine offene Beziehung?
Anders als in der monogamen Beziehung einigen sich beide Seiten darauf, prinzipiell auch sexuelle Kontakte zu anderen Menschen pflegen zu dürfen. Dabei kann es sich sowohl um ein oder mehrere einmalige Erlebnisse (
ONS) handeln als auch um eine Affäre oder eine Freundschaft plus. Dennoch führt das Paar eine stabile Zweierbeziehung, die auf den Prinzipien der Herzenstreue und des gegenseitigen Vertrauens basiert.
Wie kann eine offene Beziehung funktionieren?
Generell bietet sich dieses Beziehungsmodell nur an, wenn man eine stabile, liebe- und vertrauensvolle Beziehung miteinander führt und in allen Belangen offen kommuniziert. Die wichtigsten Grundregeln lauten dabei wie folgt.
- Gleiches Recht für beide, die Beziehung ist also nach zwei Seiten geöffnet.
- Trotzdem besteht keine Pflicht, dass beide sexuelle Kontakte zu anderen pflegen. Es ist absolut möglich, dass nur ein Part von der gewährten Freiheit Gebrauch macht.
- Safer Sex ist obligatorisch, auch um den / die Partner*in nicht in Gefahr zu bringen.
- Grundsätzlich geschieht nichts außerhalb der zuvor getroffenen Vereinbarung.
Wie in jeder anderen Beziehung kommt man auch hier an einvernehmlich getroffenen Absprachen nicht vorbei. Ohne Einvernehmlichkeit ist eher vom Fremdgehen oder vom Führen einer Affäre die Rede. Viele Paare, die sich für eine Öffnung der Beziehung entscheiden, gehen sogar ‚gemeinsam fremd‘, indem sie zusammen in den Swingerclub gehen oder zu zweit den / die
Hausfreund*in beziehungsweise ein gleichgesinntes Pärchen treffen.
Was sind Gründe für eine solche Beziehungsform?
Häufig ist es der Wunsch nach sexueller Abwechslung oder die Lust auf neue sexuelle Erfahrungen. Manche Menschen fühlen sich zu mehreren Partnern hingezogen und möchten dies ausleben, ohne ihre bestehende Beziehung aufzugeben. Und auch persönliche Entwicklung, das Bedürfnis nach mehr Freiheit oder das Ausleben bestimmter Fantasien können mögliche Ursachen sein.
Wie viele Paare führen eine offene Beziehung?
Leider stehen hierzu keine statistischen Zahlen zur Verfügung. Als sicher gilt jedoch, dass sich junge Menschen eher das Führen alternativer Beziehungsformen vorstellen können, als die Generationen ihrer Eltern und Großeltern. Nach einigen Umfragen können sich bis zu 20 % der Menschen prinzipiell vorstellen, eine offene Beziehung zu führen – für (wahrscheinlich) mehr als die Hälfte davon bleibt dies indes eine rein hypothetische Idee.
Doch zumindest das Interesse an offenen Beziehungsformen nimmt zu, wie die erfahrene Paartherapeutin Andrea Bräu im
Gespräch mit dem Magazin ‚Stern‘ bestätigt. Zwar nennt selbst die Expertin keine Zahlen, aber anders als heute sei die offene Beziehung vor einer Dekade noch „überhaupt kein Thema“ gewesen.
Interessant ist auch: In einer Umfrage der Casual Dating-Plattform „Ashley Madison“ gaben rund 13 % der Männer an, gerne eine nicht-monogame Beziehung führen zu wollen. Demgegenüber standen 26 % der Frauen. Entgegen aller Vorurteile scheint die treibende Kraft also nicht prinzipiell männlich zu sein.
Ist die offene Beziehungsform verwerflich?
Der größte Teil der Menschen betrachtet die monogame Beziehung nach wie vor als erstrebenswert. Allerdings geht man in der Fachwelt davon aus, dass zwischen 25 und 50 % aller in einer Beziehung lebenden Menschen im Verlauf dieser Partnerschaft mindestens einmal sexuellen Kontakt zu einer anderen Person hat. Trotzdem erleben viele Paare, dass sie mit ihrer klar erkennbaren offenen Beziehung im eigenen Umfeld auf Erstaunen und Ablehnung stoßen. Dies ist ein Paradoxon, denn Affären und Seitensprünge kommen kaum ohne ein umfassendes Lügenkonstrukt aus. Das ist bei der benannten Alternative unnötig.
Was muss man außerdem darüber wissen?
Häufig kommt der Gedanke an eine offene Beziehung nur von einer Seite, während der oder die andere sich dies überhaupt nicht vorstellen kann. Gerade dann ist es aber ratsam, offen und vorurteilsfrei über diese Fantasie zu sprechen. Denn die Tatsache, dass die Sache überhaupt thematisiert wird, ist ein Zeichen von Ehrlichkeit und echtem Vertrauen. Die gemeinsame Suche nach einem für beide Seiten gangbaren Weg ist in jedem Fall besser als das heimliche Fremdgehen.