Wer hätte das vor einigen Jahrzehnten, ja sogar noch wenigen Jahren für möglich gehalten? Ob Online-Datingcommunitys, Social Media oder anderweitige Chatforen – das Internet ist zum beliebten Treffpunkt für User*innen aller Generationen mit Lust aufs Dating geworden. Das Ausmaß dieser Entwicklung ist bemerkenswert. So bemerkenswert, dass nicht einmal ein Großteil der Expertinnen und Experten damit gerechnet hat. Doch das Ganze wirft selbstverständlich auf Fragen auf. Speziell die, inwiefern die Nutzung der damit verbundenen Angebote Folgen für unsere Ideen davon hat, wie wir Beziehungen und Sexkontakte aufbauen, gestalten und pflegen.
Freie Wahl? Oder doch nur Sklav*innen der Technik?
Inzwischen lässt sich resümieren, dass die meisten von uns in der virtuellen Welt angekommen sind – auch im Hinblick auf die Partner*innensuche. Selbstverständlich trifft man sich immer noch auf Partys, in öffentlichen Clubs und Bars oder an anderen Orten. Doch die Nutzung des Internets ist bequem, die
Anbieter-Auswahl groß... also warum nicht einmal online sein Glück versuchen? Insofern ist es keine Überraschung, dass das Online-Dating inzwischen auf Platz drei der häufigsten Antworten auf die Frage „Und wo habt ihr euch kennengelernt?“ liegt.
Zunächst einmal mutet das nicht überraschend an. Immerhin sind die technischen Möglichkeiten nicht mehr so begrenzt wie bei f
rüheren Generationen. Und auch vom Fokus auf die Zweckdienlichkeit der Ehe sind wir gefühlt inzwischen deutlich abgekommen. Vorbei also die Zeiten, in denen aus Vernunft und nicht Gefühl gedatet und geheiratet wurde. Oder stimmt das gar nicht?
Dieser Frage sind inzwischen bereits verschiedene wissenschaftliche Teams nachgegangen – mit interessanten Erkenntnissen. Was den sexuellen und sozialen Status und dessen (gefühlte) Wichtigkeit betrifft, hat die Soziologin Kornelia Hahn spannende Entdeckungen gemacht. Sie arbeitet an der Universität Salzburg und konnte herausfinden, dass Dating- und Flirt-Apps und -Portale Passungen oftmals dadurch entwickeln, dass sie Userinnen und User mit vergleichbaren Niveaus gegenüberstellen.
Um diese wiederum ermitteln zu können, muss man natürlich möglichst genaue Angaben in den verschiedensten Bereichen machen und seine eigenen Präferenzen genauso differenziert kundtun. Dann muss es einfach mit der Traumfrau oder dem Traummann klappen, oder? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Denn wie immer liegt der Teufel auch dabei im Detail …
Worin besteht die Crux an dieser Sache?
"Drum prüfe, wer sich ewig bindet…“ Und heute? Reicht es wirklich, eine
Liste auszufüllen, seine Wünsche mitzuteilen und das Internet präsentiert einem die Partnerin beziehungsweise den Partner für die nächsten, speziell glücklichen Jahrzehnte? Das wäre zu kurz gedacht, wenngleich es verlockend wirkt, dass ein Plus an Angaben noch feinere und harmonischere Matches zur Konsequenz hat. Aber eines haben die Matching-Algorithmen bisher nicht heraus – eine entscheidende Sache: Sie können erkennen, welche beiden Personen nach der aktuellsten Lage miteinander kompatibel zu sein scheinen. Doch wie wird es in der Zukunft sein? Das wissen die Algorithmen selbstverständlich nicht.
Aber genau das macht das Ganze einerseits so spannend, andererseits auch so ernüchternd:
- Was, wenn auf mich eine noch viel abenteuerlichere Person wartet?
- Oder, im Gegenteil: Was, wenn sich herausstellt, dass ich meine ganze Zeit auf der Plattform für nichts und wieder nichts aufgebracht habe?
- Ist es möglich, dass ich alle irgendwie als austauschbar empfinde?
- Und hält man mich ebenfalls für leicht ersetzbar?
Berechtigte Fragen über Fragen – und alle von der Sorte, die man sich wirklich individuell selbst beantworten muss …
Merke: ob online oder offline – alles hat seine Vor- und Nachteile
Ein nettes Lächeln hier, ein kleiner Gruß da: Es flirtet sich im Internet ähnlich gut wie in der Supermarktschlange, in der Bar oder an der Bäckertheke. Was natürlich fürs Online-Dating spricht, ist, dass man auf Personen ‚treffen‘ kann, denen man im realen Leben nie begegnet wäre. Wobei logischerweise auch immer welche dabei sind, zu denen man dort aus guten Grund keinen Kontakt gesucht hätte. Doch that’s life, so ist das Leben.
Denn das Dating-Glück durch eine übermäßige Härte und technische Präzision erzwingen, ist und bleibt ein Ding der Unmöglichkeit. Versucht man es, wird man sehr wahrscheinlich krachend scheitern und die eigene Unzufriedenheit quasi herbeireden. Doch wie kann das passieren, wo die Auswahl an potenziellen Traumprinzessinnen und -prinzen doch so groß ist? Nun, eines sollte man sich immer vor Augen führen: Unabhängig davon, ob es lediglich um ein
heißes Sexdate oder die ganz große Liebe geht – Online-Foren garantieren weder die Lieferung des gewünschten knackigen Frischfleisches noch sind sie Amor im technischen Gewand.
Man muss sich auch weiterhin selbst engagieren und seine Online-Existenz persönlich mit Leben, Romantik, Esprit und Sexiness erfüllen. Und sich an den Gedanken gewöhnen, dass sich nichts auf ewig formstabil garantieren lässt. Aber wahrscheinlich liegt darin ja ein gewisser Reiz – dass sich auch das zunächst nicht hundertprozentig Passende offline interessant weiterentwickelt!
Kurz gesagt:
Wer sich beim Online-Dating zwischendurch nicht gut fühlt oder das Gefühl hat, wie eine Pfanne unter lauter Töpfen zu stehen, sollte sich keine Gedanken machen.
Ein solcher Eindruck sollte jedoch auch nicht damit verbunden sein, genau wie bisher weiterzumachen. Stattdessen kommt es darauf an, eine Umgebung zu finden, auf der man sich wirklich mit Vergnügen auffällt, weil man die Atmosphäre, die ‚dortigen‘ Menschen und die Gesprächskultur schätzt. Denn letztlich lässt es sich unter dieser Prämisse am besten flirten – sowohl im realen wie im virtuellen Leben.