Die Vanille steht für Wärme und Sinnlichkeit, gleichzeitig hat sie aber auch ein gewisses Imageproblem. Wer Vanilleeis bestellt, outet sich vermeintlich als unkreativ und langweilig und auch im erotischen Jargon werden ‚Vanillas‘ häufig belächelt. Und dennoch: Auch der härteste Dom zeigt beim Gedanken an Omas Vanillepudding sein sanftestes Lächeln, außerdem ist die Vanille ein echter Booster für zahlreiche Düfte und Aromen.
Vanille, was ist das eigentlich?
Vanille ist eine Gewürzpflanze aus der Familie der Orchideen. Die Gattung Vanilla umfasst etwa 120 Arten, von denen 15 aromatische Kapseln liefern, die als Vanilleschoten bezeichnet werden. Die wichtigste Art für die Erzeugung von Vanilleschoten ist die Gewürzvanille (Vanilla planifolia), von der ungefähr 95 Prozent der weltweiten Produktion stammen. Ursprünglich kommt die Vanille aus Mexiko und Mittelamerika, wird heute aber überwiegend auf Madagaskar, Réunion (früher Île Bourbon genannt, daher der Name Bourbon-Vanille) und anderen Inseln des Indischen Ozeans angebaut.
Die als "Königin der Gewürze" bezeichnete Vanillepflanze ist eine Kletterpflanze. Die Vanilleschoten werden durch einen aufwendigen Prozess gewonnen, bei dem die unreifen grünen Kapseln geerntet, heißwasser- oder wasserdampfbehandelt und fermentiert werden, bis sie zu den bekannten schwarzbraunen, biegsamen Vanillestangen schrumpfen.
Feine weiße Kristalle auf der Oberfläche sind ein Qualitätsmerkmal für echte Vanille. Das Hauptaroma der Vanille ist Vanillin, das man auch synthetisch aus den Nadeln heimischer Bäume herstellen kann. Echter Vanille verleihen aber darüber hinaus über 50 weitere Aromastoffe und mehr als 130 chemische Verbindungen ihren einzigartigen Geschmack. Daher ist künstliches Vanillin keine echte Alternative zur Naturvanille. Die Crux dabei: Vor allem aufgrund von Pflanzenkrankheiten, aber auch durch eine international stetig steigende Nachfrage, ist Vanille eines der teuersten Gewürze der Welt.
Die sinnliche Kulturgeschichte der Vanille
Bereits die Azteken schätzten die aromatischen Schoten und verwendeten sie für Kakao-Getränke und als
Aphrodisiakum. Als die Spanier im 16. Jahrhundert die Vanille nach Europa brachten, eroberte sie schnell die Herzen und Gaumen der Fürsten und Adeligen. Ihr betörender Duft und Geschmack machten sie zu einem begehrten Luxusgut und Symbol für Sinnlichkeit und Leidenschaft.
Doch die Kultivierung der anspruchsvollen Orchidee außerhalb Mexikos erwies sich als Herausforderung. Erst im 19. Jahrhundert gelang es findigen Botanikern, das Geheimnis der Bestäubung zu lüften. Von da an verbreitete sich der Anbau in tropische Regionen weltweit, allen voran Madagaskar und La Réunion.
Heute ist Vanille allgegenwärtig - ob als Gewürz in süßen Speisen, als Duftnote in Parfums oder als Aroma in Kosmetik. Ihre Beliebtheit hat sie über die Jahrhunderte bewahrt, ebenso wie ihren Ruf als
sinnliches Verführungsmittel. Denn Vanille weckt Assoziationen von Wärme, Geborgenheit und Lust.
Sinnlich oder unsinnig? Echte Vanille im Vergleich mit künstlichem Vanillin
Künstliches Vanillin mag zwar den charakteristischen Duft und Geschmack der Vanille imitieren, doch ihm fehlt es an der Tiefe und Komplexität des natürlichen Aromas. Über 90% des weltweit verwendeten Vanillins wird synthetisch hergestellt, meist aus Nebenprodukten der Holz- und Papierindustrie wie Lignin und Guajacol.
Fachleute lassen allerdings kaum ein gutes Haar am künstlichen Vanillin. So handele es sich um ein eindimensionales, fast schon aufdringliches Aroma, das dementsprechend vorsichtig angewendet werden muss.
Echte Vanille dagegen besticht durch eine facettenreiche Sinnlichkeit. Neben dem Hauptaromastoff Vanillin enthält sie über 200 weitere Aromakomponenten, die ihr Profil abrunden und vertiefen.
- Ihr Duft: Zart und subtil,
- ihr Geschmack: samtig und nuanciert.
Echte Vanille vermittelt Gefühle von Wärme, Geborgenheit und purer Lust. Nicht umsonst gilt Vanille seit Jahrhunderten als Aphrodisiakum und Inbegriff der Verführung. Doch der Anbau der anspruchsvollen Orchidee ist aufwendig und die Ernte begrenzt. Nur etwa 1.000 Tonnen echte Vanille stehen jährlich 12.000 Tonnen künstlichem Vanillin gegenüber. Umso mehr gilt natürliche Vanille heute als Luxus für besondere Momente - ein sinnlicher Schatz, der mit Bedacht genossen werden will. Ihr Zauber lässt sich durch künstliche Aromen letztlich nicht ersetzen.
Was macht die Vanille so erotisch?
Vanille gilt als sinnlich, weil ihr Duft und Geschmack im Gehirn positive Emotionen und Erinnerungen wecken und die Ausschüttung von Glückshormonen anregen. Hier passiert Folgendes im Gehirn:
Anregung von Glückshormonen: Vanillin, der Hauptaromastoff der Vanille, stimuliert im Gehirn die Produktion von Serotonin und Dopamin. Diese "Glückshormone" sorgen für Wohlbefinden, heben die Stimmung und lindern Stress und Ängste. Der süße, warme Duft von Vanille kann so ein Gefühl von Geborgenheit und Zufriedenheit auslösen.
Aktivierung des limbischen Systems: Beim Riechen von Vanille werden Areale im Gehirn aktiv, die mit Emotionen und Erinnerungen verknüpft sind, insbesondere der Präfrontallappen und das limbische System. Vanillearoma ruft oft positive Kindheitserinnerungen wach, da viele Süßigkeiten mit Vanille aromatisiert sind. Diese emotionale Verbindung trägt zur Sinnlichkeit bei.
Ähnlichkeit zu Pheromonen: Vanillin ist den menschlichen
Pheromonen chemisch sehr ähnlich. Diese Duftstoffe wirken unbewusst als Lockmittel zwischen den Geschlechtern. Daher wird Vanille oft Parfüms beigemischt, um die sinnliche und aphrodisierende Wirkung zu verstärken.
Hemmung von Heißhunger: Vanilleduft kann Heißhungerattacken auf Süßes bremsen, da er die Serotoninausschüttung anregt. Das "Glückshormon" muss dann nicht mehr durch Nahrungsaufnahme stimuliert werden. Dieser Effekt trägt indirekt zur sinnlichen Wirkung bei, da er Überessen verhindert. Vanille betört also Nase und Gaumen, weckt schöne Erinnerungen, hebt die Stimmung und wirkt unterschwellig anziehend - eine verführerische Kombination, die das Gewürz zu einem sinnlichen Genuss macht.
Auch in der Literatur und im Film ist die Vanille eine sinnliche Verführerin
Düfte und Aromen haben einen wesentlichen Stellenwert im Leben der Menschen (übrigens auch vieler Tiere). Doch nur wenige Essenzen bekommen eine derart große kulturelle Würdigung wie die Vanille.
Beispiele dazu?
- Im Debütroman Der Duft nach Vanille (2014) von Birte Stührmann entströmt einer geheimnisvollen Kiste der titelgebende Vanilleduft, der beim Protagonisten Erinnerungen an seine Jugendliebe in der Toskana weckt. Der Roman spielt meisterhaft mit der sinnlichen und nostalgischen Wirkung des Vanillearomas.
- Die Komödie Love's Kitchen - Ein Dessert zum Verlieben (2011) inszeniert Vanille als aphrodisisches Gewürz, das die Liebesgeschichte des Paares buchstäblich "versüßt". In einer Szene füttert die Protagonistin ihren Liebhaber mit Vanilleeis - eine unterschwellig erotische Geste.
- In Vanilla Sky (2001) mit Tom Cruise symbolisiert Vanille die traumhafte, irreale Welt, in der sich der Protagonist nach einem Unfall wiederfindet. Der Vanilleduft durchzieht den Film als sinnliches Leitmotiv.
- Im Animationsfilm Ratatouille (2007) löst der Geschmack von Vanille in einem Gericht bei dem strengen Restaurantkritiker Anton Ego eine Kindheitserinnerung aus, die ihn emotional berührt und für die Kochkünste des Protagonisten empfänglich macht.
Dieser Stellenwert der Vanille kommt übrigens nicht von ungefähr. Es ist wissenschaftlich belegt: Ein kurzer Gedanke an die Vanille lässt jene Regionen im Gehirn aktiv werden, die auch tatsächliche Gerüche verarbeiten. Dieser Effekt bleibt bei den meisten anderen Gewürzen aus.
Tipp
Wenngleich die Vanille in der Kultur wie auch im täglichen Sprachgebrauch beinahe omnipräsent ist, stellt sie für die meisten Menschen einen raren Genuss dar. Denn die meisten Speisen und Duftessenzen beinhalten das preisgünstigere Vanillin, während echte Vanille in der Regel fast homöopathisch eingesetzt wird.
Trotzdem sollte man sich gelegentlich das Vergnügen mit dem echten Gewürz gönnen – etwa, indem man sich für das teurere Fertigprodukt entscheidet, oder in Form der getrockneten Vanilleschoten aus dem Gewürzregal. Wer das echte Gewürz ganz bewusst als seltenen Luxus wahrnimmt, wird sich ihrem sinnlichen Zauber nicht entziehen können.