Keine Pornos ohne den Einfluss der zur jeweiligen Zeit geltenden kulturellen Normen – und ohne den Einfluss der technologischen Entwicklungen, die zum jeweils aktuellen Zeitpunkt gerade angesagt waren. Schauen wir uns einige Zeiträume der Geschichte der Pornografie in diesem Zusammenhang etwas genauer an.
Vorantike und Antike
In der Vorantike und Antike stand die Pornografie (wenn man denn bereits von ihr sprechen möchte) häufig im Zusammenhang mit religiösen und kulturellen Fruchtbarkeitsriten und der Bitte um gute Ernten. Ein sehr bekanntes Beispiel dafür ist die
Venus von Willendorf, eine prähistorische Statuette aus dem Paläolithikum (der Altsteinzeit). Ihr Alter wird auf etwa 25.000 bis 28.000 Jahre geschätzt und sie ist mit riesigen Brüsten im Stil einer dem künstlerischen Zeitgeschmack entsprechenden Venus dargestellt.
Aber auch in Indien und Asien im Allgemeinen passierte in puncto erotischer bis pornografischer Darstellungen einiges. So dekorierte man schon vor gut 2.500 Jahren Hindu-Tempel mithilfe von Sexdarstellungen auf Reliefs und Skulpturen. Und auch in China entstanden während der Qin-Dynastie zwischen 221 und 207 v. Chr. explizite Darstellungen junger Menschen beim Geschlechtsverkehr.
In Europa dagegen sind primär die antiken griechischen und römischen Kulturen für ihre Pornografie beziehungsweise ihr Interesse an erotischen Themen bekannt. Man denke etwa an Vasen und Wandmalereien (wie in Pompeji). Oder an die erotischen Texte Ovids in seinem zweiteiligen Werk
Ars Amatoria.
Es wurde zwischen 2 v. Chr. und 1 n. Chr. publiziert und galt zu seiner Zeit als freizügig bis provokant, wird heute aber eher als charmant und dezent-erotisch empfunden. Leserinnen und Leser erhielten hier hilfreiche Tipps rund um die Themen Liebe, Verführung, erotische Techniken, Affären und Co. – und das teilweise recht detailliert, wenn auch nicht explizit pornografisch.
Mittelalter und Renaissance
Das sich immer stärker durchsetzende Christentum trug wesentlich dazu bei, dass
Pornografie in Bild, Skulptur und Literatur kein (explizites) Thema mehr war. Doch selbstverständlich war es nicht so, dass keine erotischen Inhalte mehr geteilten wurden. Wie erotisch-heiß manches empfunden wurde, lässt sich heute nicht mehr mit Gewissheit sagen. Es erscheint jedoch nur schwer vorstellbar, dass Personen mit einer gewissen Vorstellungskraft nicht in der Lage gewesen sein sollten, sich manche Inhalte noch spannender zu denken, als sie beschrieben wurden. Beispiele dafür könnten
- die Liebe zwischen Tristan und Isolde in Gottfried von Straßburgs Werk Tristan (Fragment, um 1210) – speziell die Szenen in der Minnegrotte oder
- die Farbcodes im Nibelungenlied (ebenfalls Beginn des 13. Jahrhunderts) mit den Wechseln von blasser und geröteter Gesichtsfarbe, heißen und kalten Empfindungen beim Anblick des (heimlich) geliebten Gegenübers
sein.
Und natürlich darf man auch
Under der Linden von Walther von der Vogelweide (Ende des 12., Anfang des 13. Jahrhunderts) nicht vergessen! Heimliche (körperliche!) Liebe an einem locus amoenus (einem liebreizenden Ort) – wenn das keine Vorlage fürs
Kopfkino ist?
Unterm Strich bleibt festzuhalten, dass all das im heutigen Sinne keine wirkliche Pornografie war und es in der Malerei und in Texten / Liedern etwas diskreter und verdeckter zuging, Stichwort Leda mit dem Schwan. Außerdem landeten explizierte Formen der gemalten oder geschriebenen Pornografie oft in Privatsammlungen oder gingen unter dem Tisch von Hand zu Hand.
Kein Wunder also, dass sich das gedruckte Buch als neues Medium als extrem vorteilhaft für die Vervielfältigung und Verbreitung scharfer Inhalte erwies. Das kam unter anderem auch
- I Modi (im 16. Jahrhundert) oder
- Édouard-Henri Avrils Holzschnitten (aber dann deutlich später, im 19. Jahrhundert)
Die Aufklärung
Während der Aufklärung wurde die Zensur in vielen europäischen Ländern wieder etwas mehr gelockert, was sich vordergründig auf eine neue Offenheit gegenüber der Natur des Menschen im Allgemeinen und der Sexualität im Besonderen zurückführen ließ. In Kombination mit einem florierenden Buchmarkt konnte Pornografie in Form von Grafiken und Literatur hervorragend vervielfältigt und an den Mann gebracht werden, wovon unter anderem erotische / pornografische Romane oder anderweitige Texte oder illustrierte Bücher profitierten. So entstanden in dieser Zeit unter anderem
Fanny Hill,
Die 120 Tage von Sodom sowie
Justine oder Vom Missgeschick der Tugend des
Marquis de Sade.
Das 19. Jahrhundert
Neue Techniken, neue Medien, neues Spiel! Ab dem 19. Jahrhundert nahm die die Pornografie immer mehr die Form dessen an, was wir heute darunter verstehen. Dabei erlaubte die Daguerreotypie erste Aktfotos und ‚Livesex-Aufnahmen‘. Zu denen unter anderem das erste, 1890 in England aufgenommene Oralsex-Foto zählte. Das war auch insofern eine pikante Angelegenheit, als es während des viktorianischen Zeitalters entstand, in dem eigentlich ein hochgradiger erotischer Puritanismus vorherrschte. In der Konsequenz ‚erlitten‘ die Ehefrauen den Geschlechtsverkehr, während sich Männer mit Prostituierten,
sexy Geschichten und ebensolchen Fotos die Zeit vertrieben. Nicht zu vergessen die dann aufkommenden (kurzen) Sexfilme, die man in privaten Theatern präsentierte. Apropos Sex- und Pornofilme …
Das 20. Jahrhundert
Der Anfang der gefilmten Pornos lag in den sogenannten ‚Stag Films‘. Diese hatten in der Regel keine Titel, wurden heimlich verbreitet und zeigten Frauen, die sich auszogen. Sogenannte ‚Schauspielerinnen‘, die eigentlich als Bordellangestellte fungierten und Werbung fürs
Pornokino machten.
Zunehmend zeigte man aber auch Expliziteres: Masturbation, Oral-, Vaginal- und Analsex, Lesben beim Liebesspiel – und diverse sehr explizite Aufnahmen von Penissen für Schwule, die sich mit aufgrund ihrer sexuellen Präferenzen jedoch oftmals verstecken mussten. Ein ziemlich bekannter ‚Stag Film‘, der viele der gefragten Fantasien abbildete, war El Satario (Argentinien, 1907). Die Handlung ist recht schnell erzählt. Ein Satyr überfällt eine ins erotische Spiel vertiefte Lesbengruppe und schafft es, eine der Frauen zu kidnappen, um mit ihr seine Sexfantasien umzusetzen.
Ab den 1920er Jahren überlegte man sich für die verfilmte Pornografie aber auch schon eine etwas umfangreichere Handlung, wie etwa der US-amerikanische Film The Casting Couch bewies … Und bei dem der Titel genau das hält, was man sich heute unguterweise unter diesem Titel vorstellt. Machtmissbrauch, Erniedrigung von Frauen und Co. lassen grüßen …
Die 1930er bis 1950er Jahre
In diesem Zeitraum wurde die Produktion und Verbreitung aller pornografischen Materialien basierend auf moralischen Vorstellungen und rechtlichen Regelungen stark eingeschränkt. So trat man im nationalsozialistischen Deutschland der Pornografie mit einer restriktiven Haltung gegenüber. Erotische bis
pornografische Kunst galt als unerwünscht und dekadent. Teilweise stufte man sie sogar als ‚entartet‘ ein und zensierte sie entsprechend streng.
In den USA wurden Magazine, Bücher und Filme (letztere speziell mithilfe des von den 1930er bis 1960er Jahre geltenden Hays Codes) zensiert. Das betraf speziell solche Werke, in denen sexuelle Handlungen offen dargestellt oder die insgesamt als obszön betrachtet wurden. Es galt also das Motto ‚Explizite Pornografie, nein – Subtilität oder Vermeidung der Thematisierung von Sexualität, ja‘. Und wenngleich der
Kinsey-Report das Ganze in den 1950er Jahren etwas aufbrach und alles etwas liberaler wurde, führte er doch noch nicht zur direkten Abschaffung der Zensur, der die Pornografie unterlag.
Eine Entwicklung, die übrigens auch auf Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg zutraf. Denn obwohl die politische und kulturelle Neuordnung in der Bundesrepublik eine gewisse Liberalisierung in Bezug auf Kunst und Meinungsfreiheit nach sich zogen, hatte es die Pornografie zunächst immer noch schwerer als etwa in den 1920er Jahren. Doch das änderte sich …
Ab den 1960er Jahren
In Kombination mit der sexuellen Revolution in den 1960er Jahren und dem technischen Fortschritt (Stichwort Videokassette in den 1970ern) war die Pornografie plötzlich wieder ganz groß im (kommerziellen) Kommen. Die Grundlagen dafür boten ein immer offener Umgang mit der Sexualität, die zunehmende Bekanntheit und
Beliebtheit von Pornostars und die Tatsache, dass man Pornofilme auch zu Hause konsumieren konnte. Doch das Ganze war im Vergleich zum Erstarken des Internets ab Ende der 1990er Jahre natürlich gefühlt nur ein Tropfen auf den heißen Stein …
Das 21. Jahrhundert
Ohne Zweifel ist die moderne Pornografie nicht mehr mit der der vergangenen Jahrhunderte und Jahrtausende zu vergleichen. Inzwischen beinhaltet sie deutlich mehr als ‚nur‘ Bilder und Videos, sondern kann auch
Live-Webcam-Shows, interaktive Virtual-Reality-Erlebnisse und Co. umfassen. Überrascht es da, das gefühlt so viel Pornografie wie noch nie zuvor konsumiert wird?
Es wird aber auch kontrovers darüber diskutiert, wie sich ein so großer Pornokonsum auf einzelne Personen und ganze Gesellschaften auswirkt. Spannende Themen dabei sind unter anderem
- die Wahrnehmung von Sexualität,
- die Darstellung von Personen
- oder die Rechte der beteiligten Darsteller*innen.
Eine Plattform dafür bietet die seit 2007 bestehende Konferenz- und Buchreihe
Ars Elektronica. Ihre Schwerpunkte liegen in der Erforschung darin, wie sich die Pornografie durch die Weiterentwicklung der mit ihnen verbundenen Technik verändern und was dies für Auswirkungen hat. Gleichzeitig sollen diese Erkenntnisse in den sozialwissenschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Diskurs eingebunden werden.
Denn eines ist festzuhalten – ethische Pornos, in denen alle Beteiligten fair behandelt werden und in denen der
Sex realistisch und authentisch dargestellt wird, sind noch keine Selbstverständlichkeit, wenngleich das Interesse an ihnen immer größer und der Ruf nach ihnen zunehmend lauter wird.