Irgendwie wirkt es widersprüchlich: Homosexuelle Männer bleiben in erotischer Hinsicht ausschließlich unter ihresgleichen, trotzdem haben viele von ihnen ein Faible für große, weibliche Diven. Ein näherer Blick zeigt allerdings, dass sich beides tatsächlich zu einem stimmigen Gesamtbild fügt – und es anderen Idolen absolut keinen Abbruch tut.
Wie schwul ist das denn?
Wenn es um besonders feminin wirkende Männer geht, zieht das testosterongeladene Umfeld gerne die entsprechende Schublade auf: „Der Typ ist so schwul in seiner ganzen Art…“ Die tatsächlichen sexuellen Präferenzen sind bei dieser Kategorisierung übrigens zweitrangig. Dass man(n) damit nicht nur die entsprechenden Personen, sondern sogar pauschal alles Weibliche herabsetzt, ist vielen Männern gar nicht bewusst – oder sie nehmen diese Tatsache achselzuckend in Kauf.
Interessant ist: Je stärker das zur Schau gestellte, weibliche Klischee, desto lauter werden auch die Diffamierungen und Beleidigungen. Dabei muss sich all dies nicht einmal ausschließlich gegen feminine Männer und Transpersonen richten. Auch weibliche, heterosexuelle Diven sind durch ihr Auftreten die perfekten Zielscheiben für Intoleranz oder sogar echten Hass.
Gute Idole, schlechte Idole?
Wenn es um persönliche Vorbilder geht, ist die Sache für die meisten Männer klar: Entweder nennt man Stars aus dem Spitzensport oder Personen, die es mit männlichen Attributen weit gebracht haben. Arnold Schwarzenegger, Sylvester Stallone, Ralf Moeller oder Clint Eastwood haben trotz ihres fortgeschrittenen Alters kaum etwas von ihrer geradezu magischen Aura eingebüßt. Doch nicht nur Muskelkraft, auch Durchsetzungsvermögen und bei Bedarf komplett egozentrische Dreistigkeit gelten als typisch männliche Attribute. Aktuell fallen einem in diesem Zusammenhang vor allem Personen wie Donald Trump oder Elon Musk ein.
Natürlich muss man die persönlichen Leistungen des Wieder-Präsidenten und des reichsten Mannes der Welt ebenso anerkennen wie jene der erwähnten Schauspieler. Trotzdem taugen all diese Männer nicht per se für alle und jeden zum persönlichen Vorbild. Vor allem viele Schwule und andere Menschen, die sich selbst der
LGBTQ+-Community zurechnen, können mit dieser testosterondominierten Lebensweise nicht viel anfangen. Denn auch das Weibliche kann, darf und soll man feiern – und das gelingt den großen Diven in Perfektion.
Doch ganz gleich, ob man das eigene Idol als Inbegriff für Männlichkeit oder Weiblichkeit wahrnehmen kann: Nur in den seltensten Fällen geht es um die Nacheiferung bis zur Selbstaufgabe, sondern vielmehr um eine unverbindliche Orientierungshilfe. Trotz einer zunehmenden Durchmischung der Rollenbilder halten sich die meisten Frauen nach wie vor an ebenfalls weibliche Idole, bei den Männern verhält es sich ebenso. Dass viele schwule Männer weibliche Ikonen haben, ist in diesem Sinne kein Tabubruch – allerdings vertreten sie damit eine Minderheit.
Welche Diven sind schwule Ikonen?
Idole, gleich welchen Geschlechts und unabhängig von dem Bereich, in dem sie vordergründig aktiv sind, haben viele Gemeinsamkeiten. Ohne ein unerschütterliches Selbstvertrauen, ein hohes Maß an Zielstrebigkeit sowie Fleiß, Biss und Lernbereitschaft ist es unmöglich, bis zur entsprechenden Position aufzusteigen. Zwar sorgen Diven (wie alle anderen Ikonen) u.a. durch ihre geradezu sprichwörtliche Exzentrik für viel Polarisierung – doch offensichtliche Authentizität steht ganz klar über dem Bestreben, Everybody's Darling zu sein. Diven haben mit Stil und Aura eine geradezu magische Präsenz, die in manch einem homosexuellen Mann Sehnsüchte weckt: Man(n) feiert das Leben und die Weiblichkeit gerne auf ähnliche Art und Weise – oder träumt zumindest von einer solchen Möglichkeit.
Berühmte Beispiele für
Diven als schwule Ikonen sind dann unter anderem:
Maria Callas |
Marlene Dietrich |
Marilyn Monroe |
Audrey Hepburn |
Anita Ekberg |
Madonna |
Liza Minelli |
Donna Summer |
Barbara Streisand |
Cher |
Lady Gaga |
Marianne Rosenberg |
Auch der Umgang der Diven selbst mit ihrer Fanbase ist interessant – und auch hier gibt es gewaltige Unterschiede. So umgab sich Cher bereits in den späten 1970er Jahren mit
Dragqueens, womit sie einen unverkrampften Umgang mit den verschiedenen Facetten menschlicher Sexualität verdeutlichte. Aus heutiger Sicht war sie damit ein echtes Vorbild – doch gerade in der benannten Zeit eckte sie mit dieser Einstellung vielfach an. Natürlich ist auch das ‚typisch Diva‘. Die Sängerin nahm die damals im Vergleich zu heute noch viel weiter verbreitete Intoleranz achselzuckend zur Kenntnis, die Ressentiments verhalfen ihr sogar noch zu mehr Bekanntheit.
Sind große Diven eigentlich immer weiblich?
Schwule Männer lieben Diven aufgrund ihrer charismatischen, unerschütterlichen Andersartigkeit, die gerne eine stark weibliche Facette besitzen darf. Ein zwingender Bestandteil ist sie allerdings nicht. Diven gibt es daher in allen Geschlechtern, wie die folgenden Beispiele verdeutlichen:
- Freddie Mercury
- David Bowie
- George Michael
- Sam Smith
- Conchita Wurst
- Kim Petras
Klar ist aber auch: ‚Ganz oben‘ ist nur Platz für sehr wenige Diven. Und der Aufstieg zum Idol ist in der Regel sehr lang und steinig. Wer es aber einmal bis zur Rolle der Schwulen-Ikone geschafft hat, verbindet sich auf diese Weise mit einer der treuesten Fangruppen überhaupt. Maria Callas wird davon auch in ferner Zukunft noch mehr als nur ein Liedchen singen können …