Eheliche Pflichten? Steht dieser Begriff nicht im klaren Kontrast zur Partnerschaftlichkeit und Freiwilligkeit, die sich viele Menschen für ihre Ehe wünschen? In der Tat – und deswegen diskutiert man in an vielen Stellen auch noch durchaus kontrovers. Zumal ihn das moderne deutsche Familienrecht nicht mehr ausdrücklich regelt. Allerdings muss man dazu auch anzumerken, dass er keine Erfindung der letzten Jahre oder Jahrzehnte ist, sondern seine historischen Wurzeln noch deutlich weiter zurückreichen. Bis in eine Zeit, in der man von seinem Gegenüber (der*dem Ehepartner*in) noch sexuelle Verfügbarkeit erwarten und diese sogar einklagen konnte.
Was versteht man unter dem Begriff?
Unter dem Begriff "eheliche Pflichten" versteht man im weiteren Sinne die gesetzlichen und moralischen Verpflichtungen, die Ehepartner*innen einander gegenüber haben. Diese „Pflichten“ sind im Eherecht geregelt und umfassen verschiedene Aspekte des gemeinsamen Lebens und der gegenseitigen Unterstützung. Einige der wichtigsten Aspekte dabei sind:
- die gemeinsame Lebensführung: Ehepartner*innen sind verpflichtet, eine eheliche Lebensgemeinschaft zu führen. Das bedeutet, dass sie zusammenleben und einen gemeinsamen Haushalt führen sollten.
- die gegenseitige Unterstützung: Ehepartner*innen tragen füreinander Verantwortung und unterstützen sich gegenseitig in verschiedenen Lebensbereichen, auch in emotionalen und finanziellen.
- Treue und Loyalität: Die Ehepartner*innen sind einander zur Treue verpflichtet, was bedeutet, dass sie keine außerehelichen Beziehungen eingehen sollten. (das ist inzwischen allerdings relativ.)
Wichtig zu wissen: Das Bürgerliche Gesetzbuch legt in § 1353 BGB fest, dass Ehepartner*innen zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet sind und füreinander Verantwortung tragen. Dies umfasst Pflichten wie Treue, Beistand und Rücksichtnahme. Diese Pflichten sind jedoch nicht einklagbar, wenn sie höchstpersönliche Bereiche betreffen.
Im Gegensatz dazu gibt es jedoch einige vermögensrechtliche Pflichten, die einklagbar sind. Darunter fallen etwa Unterhaltspflichten oder Mitwirkungspflichten (wie an einer gemeinsamen Steuererklärung). In der Konsequenz zeigen die Regelungen, dass es im deutschen Rechtssystem relevant ist, dass die Ehepartner*innen ihre finanziellen und vermögensrechtlichen Pflichten erfüllen. Gleichzeitig zielt es aber auch darauf ab, den Respekt der persönlichen Autonomie der Ehepartner*innen zu gewährleisten.
Was ist mit dem Geschlechtsverkehr als eheliche Pflicht?
Der Begriff "ehelicher Beischlaf" bezieht sich auf den Geschlechtsverkehr zwischen Ehepartnern. Historisch gesehen galt der Beischlaf bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland als eheliche Pflicht, was speziell im Kontext des Schuldprinzips bei Scheidungen relevant war. In diesem Kontext sind vorrangig vier verschiedene Jahreszahlen und Etappen von Bedeutung:
- 1966: Der Bundesgerichtshof (BGH) sah den ehelichen Beischlaf als eine Pflicht an, die im Rahmen des Schuldprinzips bei Scheidungen relevant war. Es wurde argumentiert, dass die Ehefrau ihren ehelichen Pflichten nicht genügte, wenn sie den Beischlaf nur teilnahmslos geschehen lasse,
- 1977: Mit der Einführung des Zerrüttungsprinzips im Scheidungsrecht gab man das Schuldprinzip auf Dies bedeutete, dass die Frage des ehelichen Beischlafs bei Scheidungen nicht mehr erörtert wurde.
- 1997: Die Vergewaltigung in der Ehe wurde explizit strafbar, was unterstrich, dass die Selbstbestimmung und das Einverständnis in eheliche sexuelle Beziehungen an Bedeutung dazu gewannen.
- 2009: Mit dem Inkrafttreten des Familienverfahrensgesetzes (FamFG) im Jahr 2009 wurde die Möglichkeit, eine Leistungsklage auf Erfüllung höchstpersönlicher ehelicher Pflichten zu erheben, abgeschafft. Dies bedeutet, dass kein*e Ehepartner*in rechtlich gezwungen werden kann, bestimmte persönliche Handlungen wie den Beischlaf zu vollziehen.
Die aktuelle Gesetzeslage nach dem § 1353 BGB hält dementsprechend auch fest, dass die Ehepartner*innen zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet sind und füreinander Verantwortung tragen. Es gibt jedoch keine explizite und einklagbare Verpflichtung, dass jemand mit der*dem anderen sexuell verkehrt. Vielmehr muss man die körperliche und emotionale Autonomie der*des anderen achten und niemand kann die*den anderen rechtlich zum Geschlechtsverkehr zwingen. Es gibt also keine „eheliche Beischlafspflicht“!