Mommy Porn bezeichnet ein Subgenre der erotischen Literatur, das sich besonders an Frauen, insbesondere an Hausfrauen oder Mütter, richtet. Der Begriff wurde populär durch den Erfolg des Buches Fifty Shades of Grey von E.L. James, das eine breite Leserschaft unter Frauen über 30 Jahren fand.
Welche Geschichte steckt hinter dieser Literatur?
Im Laufe des 20. Jahrhunderts erreichten pornografische Schriften erstmals ein Massenpublikum, das weit über die bis dahin typische Zielgruppe hinausging und auch viele Frauen einschloss. Ein Beispiel dafür ist der Boom der sogenannten „
Bodice-Ripper“-Romane in den USA der 1970er Jahre. Diese Liebesromane im Groschenformat enthielten Elemente von Abenteuer- und Historienromanen, der Clou war allerdings, dass beim Erzählen die Perspektive der Protagonistin zum Tragen kam.
Den Mittelpunkt der Erzählung bildete dabei immer der Umstand, dass diese gleichermaßen unwiderstehlich wie unbezähmbar war, sich aber stets von einem draufgängerischen, teilweise quasi kriminellen „Bad Boy“ erobern ließ, um ihm in Liebe zu verfallen und sich ihm hinzugeben. Und wenngleich explizite erotische Szenen dabei eher Mangelware waren, waren sie doch immer vertreten.
Aufgrund des fast ausschließlich weiblichen Publikums bezeichnete man die „Bodice-Ripper" der 70er in der Presse als frühe Form von ‚Mutti-Pornografie‘ - ein Begriff, der in den frühen 2010ern durch E.L. James'
Shades of Grey-Trilogie erneut Popularität erlangte. Dennoch gibt es zwischen ihnen einen wesentlichen Unterschied …
Der Grund? Mit dem Erstarken der feministischen Bewegung in den 80ern und 90ern empfanden viele Leserinnen die Romantisierung sexueller Gewalt zunehmend als befremdlich. An die Stelle der „Bodice-Ripper“ traten daher neue Subgenres erotischer Liebesromane, die einvernehmlichen Sex anstelle von „erzwungener Verführung“ in den Mittelpunkt stellten.
Wodurch zeichnen sich Mommy Porn Werke aus?
Wie schon thematisiert, gibt es einige rote Linien in der Konstruktion der Figuren und des Inhalts. Diese ziehen sich durch eine ganze Reihe an Werken wie Fifty Shades of Grey von E.L. James, die Crossfire-Serie von Sylvia Day oder Beautiful Disaster von Jamie McGuire.
Dabei ist unter anderem erwähnenswert, dass der Fokus auf der Beleuchtung von weiblich-sexuellen Fantasien und Wünschen von Leserinnen einer bestimmten Alters- und Interessensgruppe liegt. Zudem beschreiben die Autor*innen die von den Figuren ausgeübte Sexualität ziemlich detailreich und explizit, verzichten dabei jedoch oftmals auf die Verwendung von grafischer Sprache. Und nicht zuletzt ist die Kombination aus naiver Protagonistin, die die Welt der Sexualität erst entdecken muss und aus alphamännlich-kontrollierendem Gegenpart, der die Kontrolle über die Geschehnisse von vornherein hat oder diese recht schnell übernimmt, recht beliebt.
Es liegt also auf der Hand, dass diese Gestaltung zu einigen Kritikpunkten geführt hat, die sowohl literarische als auch gesellschaftliche Dimensionen betreffen.
Welche Kritik wird im Zusammenhang mit dem Mommy Porn laut?
Bei dieser Kritik geht es unter anderem das Bemängeln von
- stereotypen Frauendarstellungen, da die Protagonistinnen häufig naiv und/oder unterwürfig wirken würden,
- einer Romantisierung von toxischen Beziehungen, die auf Machtungleichheiten und emotionalen Manipulationen beruhen und dadurch ungesunde bis gefährliche Vorstellungen von Liebe und Sexualität propagieren würde,
- nicht ausreichender Diversität, sodass die Mommy Porn Werke die Vielfalt von weiblichen erotisch-sexuellen Erfahrungen nicht ausreichend spiegeln würde
- einer gewissen Oberflächlichkeit und Kommerzialisierung der Darstellung(en) von Sexualität.
Oder mit anderen Worten: Laut Aussagen mancher Kritiker*innen besteht die Gefahr, dass Mommy Porn die gesellschaftlichen Normen bezüglich Sexualität und Beziehungen beeinflussen könnte, indem sie unrealistische Erwartungen an Frauen und Männer in romantischen Beziehungen schaffe und eine Flucht aus dem Alltag begünstige.
Gibt es auch positive Meinungen?
In der Tat. So beschrieb etwa die Berner Zeitung, dass Werke wie Fifty Shades of Grey dazu geführt hätten, dass viele amerikanische Haushalte eine Art „zweiten Frühling“ erlebt hätten, indem sie ihre Sexualität neu entdeckt hätten.
Ferner sprechen die Bücher gezielt die Fantasien von Frauen an und bieten ihnen somit eine Möglichkeit, sich mit Themen wie Leidenschaft, Kontrolle und Co. auseinanderzusetzen. Wobei die Leserinnen (und natürlich auch Leser) freilich zum Schluss kommen können, dass sie ihre (erotischen) Beziehungen im realen Leben auf andere Art gestalten wollen. Aber auch bei themenspezifischen Filmen (wie Mommy von Xavier Dolan) sind positive Kritiken zuweilen keine Seltenheit, wenn sie etwa die emotionale Intensität und die Darstellung von komplexen Beziehungen betreffen.
Abgesehen davon gibt es auch noch die Doku-Serie Mums Make Porn, in der Mütter eigene Pornos produzieren, um eine realistischere und weniger frauenverachtende Darstellung von Sexualität zu fördern. Dieses Format zielt darauf ab, einen ehrlicheren Austausch über Sexualität zu schaffen und die oft problematischen Darstellungen in der traditionellen Pornografie zu hinterfragen.
Woran sich letztlich erkennen lässt, dass es sich beim Mommy Porn nicht nur um ein literarisches Phänomen handelt, sondern um etwas, was das Zeug zum Anstoßen von tieferen und kulturellen Diskussionen hat. Ob es dabei den eigenen Geschmack trifft und ob man das Gelesene auch selbst im echten Leben so umgesetzt wissen will, ist natürlich eine Frage, die jede*r Leser*in für sich selbst beantworten muss.