Der deutsch-niederländische Autor, Filmproduzent und Journalist hat maßgeblich Anteil an der sexuellen Aufklärung im Nachkriegsdeutschland. Mit seinen Filmen und Büchern zur Sexualität hat er aber auch die Menschen in anderen deutschsprachigen Regionen erreicht.
Wer war Oswalt Kolle?
Kolle wurde im Jahr 1928 in Kiel geboren. Entgegen des Wunsches seines Vaters entschied er sich gegen ein Medizinstudium und für eine Ausbildung in der Landwirtschaft. Zum Journalismus fand er aufgrund persönlicher Umstände.
Seine ersten journalistischen Erfahrungen machte Oswalt Kolle als Filmjournalist bei Frankfurter Tageszeitungen und der Fachzeitschrift Filmblätter. Anschließend stieß er zum Team der gerade neu gegründeten Hamburger Bild-Zeitung. Die Arbeit für dieses „Märchenblatt“ (O-Ton Oswalt Kolle) war für ihn aber so wenig erfüllend, dass er mit Freude für eine leitende Funktion ins Kulturressort der Berliner B.Z. wechselte. Auch in seiner anschließenden Zeit als stellvertretender Chefredakteur der Film- und Fernsehzeitschrift ‚Star Revue‘ war er vor allem mit dem Feuilleton befasst.
Zur Popularisierung der
sexuellen Aufklärung trug er erst ab den frühen 1960er-Jahren bei. Seine Aufklärungsserien in Zeitschriften wie ‚Neue Revue‘ und ‚Quick‘ wurden so erfolgreich, dass er von nun an auch Sachbücher zu diesem Themengebiet verfasste. Ab 1968 kamen Aufklärungsfilme wie ‚das Wunder der Liebe‘ hinzu, die damals noch von den Zensoren der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK) mit Argwohn betrachtet wurden. Kolle ging aber beharrlich seinen Weg und spielte sogar selbst in seinen Filmen mit. Die Fernsehserie ‚Liebesschule‘ war ein weiterer Meilenstein in der Sexualaufklärung.
In seinen späteren Jahren lebte der bekennend
bisexuelle Kolle in den Niederlanden. Er führte nach eigenen Aussagen eine offene Ehe und war bis zu seinem Tod im Jahr 2010 als aufklärender Publizist tätig.
Wie wichtig war er für die Sexualaufklärung der Gesellschaft?
Oswalt Kolle erlangte in den späten 60ern und frühen 70ern durch seine wegweisenden Publikationen und Filme über Sexualität große Bekanntheit. Als "Aufklärer der Nation" half er den Deutschen, Sexualität offener zu thematisieren und die verstaubten Ansichten abzulegen. Ganz offen warb er dafür, „den Muff auf dem Schlafzimmer zu vertreiben“ (O-Ton Kolle).
Kolle setzte sich gegen die vorherrschende Verklemmtheit und für sexuelle Befreiung ein. Nach Zensur seiner freizügigen Aussagen 1962 widmete er sich ganz der Aufklärung über Liebe und Sex. Seine Filme rüttelten an gesellschaftlichen Tabus, insbesondere die Kirche geriet in die Defensive.
Mit Übersetzungen in alle wichtigen Sprachen und 140 Millionen Zuschauern weltweit fanden Kolles Werke ein riesiges Publikum. Für viele Deutsche war er der Führer durch den "Dschungel der Sexualität". Sein Einfluss auf die Gesellschaft der 60er und 70er war enorm.
Bis zu seinem Tod engagierte sich Kolle nicht nur für Sexualaufklärung, sondern auch für Menschenrechte und andere gesellschaftliche Themen. Selbst mit fast 80 beteiligte er sich noch leidenschaftlich an Debatten über Sex im Alter,
Homosexualität und Sterbehilfe.
Welche Publikationen von Oswalt Kolle sind besonders hervorzuheben?
Oswalt Kolle war ein umtriebiger Mann mit enormer Schaffenskraft. Die folgenden Werke gelten als Meilensteine der sexuellen Aufklärung.
Bücher:
- Dein Kind, das unbekannte Wesen (1960): Kolles erstes erfolgreiches Buch. Zunächst erschien es als Serie in der Illustrierten ‚Quick‘ und thematisierte die Schwangerschaft sowie die frühkindliche Entwicklung.
- Das Wunder der Liebe (1968) erschien auch als Serie in der Zeitschrift ‚Neue Revue‘. Später wurde es bei Bertelsmann als Taschenbuch veröffentlicht.
- Dein Mann, das unbekannte Wesen und Deine Frau, das unbekannte Wesen: Diese Bücher aus den 1960ern machten Kolle endgültig zum ‚Aufklärer der Nation‘.
- Sex: Die 10 Todsünden lautete der Titel von Kolles letztem Buch, das er als sein Vermächtnis bezeichnete.
Filme:
- Das Wunder der Liebe - Sexualität in der Ehe (1968) war sein erster Aufklärungsfilm. Erfolgreich wurde er nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Hierzulande fand er rekordverdächtige 6 Millionen Zuschauende.
- Deine Frau, das unbekannte Wesen (1969) war ein weiterer erfolgreicher Film, für den Kolle das Drehbuch schrieb.
Primär in den 1960er- und frühen 1970er-Jahren hatte Oswalt Kolle aber teilweise große Mühe, sich gegen die noch recht strenge Zensur durchzusetzen.
Wie bewertet man seine Arbeit heute?
Viele Inhalte der Werke Oswalt Kolles entlocken den Menschen heute ein Schmunzeln. Dass die Gesellschaft heute aufgeklärt ist und deutlich unbefangener mit Themen der Sexualität umgeht als in früheren Zeiten, ist allerdings auch ein Verdienst des ‚Aufklärers der Nation‘.
Er gilt als ein Wegbereiter für viele Publizisten und Filmemacher späterer Generationen. Dennoch taten sich die Politik wie auch mit der Aufklärung befasste
Institutionen schwer, Oswalt Kolle für seine großartige Arbeit zu ehren. Erst im Jahr 2000 wurde er von der Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung (DGSS) mit der Magnus-Hirschfeld-Medaille für Sexualreform geehrt. 2010 folgte eine Auszeichnung vonseiten des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA), der Kolle für seine Verdienste zur sexuellen Selbstbestimmung ehrte.
Man kann also davon ausgehen, dass die ‚Ehe für alle‘ und die Möglichkeit, das eigene Geschlecht als ‚divers‘ in die Personaldokumente eintragen zu lassen, ganz im Sinne von Oswalt Kolle wären.