Bei einem Pick-Up Artist, kurz PUA, handelt es sich um einen „Aufreißkünstler“, wenn man der deutschen Übersetzung folgt. Bei PUAs handelt es sich vorrangig um Männer, die das zielgerichtete Abschleppen von Frauen zu einer Kunstform erklärt haben. Viele von ihnen organisieren sich dafür in sogenannten Seduction Communitys. In ihnen lassen sich auch spezielle Angebote an Männer finden, deren Selbstbewusstsein und Selbstwert gering sind. Dementsprechend denken sie, dass sie dank der zum Pick-Up Artisting gehörenden Strategien mehr Erfolg beim Kennenlernen von Frauen und Knüpfen vorrangig erotischer Kontakte haben werden. Ein Konzept, das durchaus kontrovers diskutiert wird.
Woher stammen wesentliche Ideen fürs Pick-Up-Artisting?
Die Basisidee war nicht grundsätzlich neu. Bereits 1963 brachte der US- Psychologe und Psychotherapeut Albert Ellis das an Frauen gerichtete Werk The Intelligent Woman’s Guide to Man-hunting heraus. In Kooperation mit Roger Conway entstand 1967 zudem The Art of Erotic Seduction für Männer, das in diverse Sprachen übersetzt wurde.
Eine noch konkretere Aufmerksamkeit im Sinne des Pick-Up-Artisting erfuhr jedoch Ross Jeffries‘ Werk How to Get the Women You Desire into Bed, das zusammen mit seiner plus NLP-Techniken-Sammlung Speed Seduction 1992 erschien. Zwei Jahre später gründete einer von seinen Schülern, De Lewis Payne, die Newsgroup alt.seduction.fast (ASF) und bereits wenige Jahre später entstand ein gesamtes Netzwerk. Dieses diente dem Austausch über das Thema Verführungstechniken und ermöglichte seinen Mitgliedern eine Kommunikation über Blogs, Websites, Online-Foren und Mailing-Listen.
Ein weiterer Meilenstein war aber auch The Game: Penetrating the Secret Society of Pickup Artists, im Deutschen als Die perfekte Masche bekannt, das der US-amerikanische Rolling-Stone-Journalist und Pick-Up Artist Neill Strauss (Style) 2005 als Autobiografie herausgab (und wovon er sich inzwischen schon wieder davon distanziert hat).
Zu den bekanntesten aktuellen PUA zählen
- Roosh V (Daryush Valizadeh),
- Addy A-Game (Adnan Ahmed),
Speziell die ersten Drei haben sich dabei auch durch Belästigungs- und Vergewaltigungsvorwürfe sowie durch Aufrufe zur potenziellen sexuellen Gewalt gegen Frauen einen zumindest zweifelhaften Ruf erworben. Zudem steht die Pick-Up-Szene im (nicht immer unbegründeten) Verdacht, mit rechten Netzwerken zu kooperieren, was unter anderem durch die gemeinsame Idee des Antifeminismus und des Sexismus zustande kommt.
In der Konsequenz haben viele Pick-Up Artists in Deutschland und die entsprechenden Communitys entschieden, weniger offensiv aufzutreten. Ein relevanter Grund dafür war sicherlich auch die viel beachtete, immer noch laufende mediale Diskussion zu den Schnittpunkten von toxischer Männlichkeit, Rechtsradikalismus und eben den Ideen der Pick-Up Artistik.
Welche Ideen stecken hinter dem Konzept?
Die Mehrheit der Männer (und der Frauen), die sich fürs Pick-Up Artisting interessieren, werten das Ganze als Sexwettbewerb. Dabei stechen sie als diejenigen hervor, die durch das gezielte Trainieren ihrer Fähigkeiten die beste Quote beim Abschleppen besitzen. Frauen hingegen gelten als sogenannte ‚Trophäen‘, die es zu erobern gilt.
Prinzipiell verfolgen unterschiedliche Pick-Up-Communitys teilweise stark divergierende Strategien. Mehrheitlich ist aber festzuhalten, dass sie sich an Männer wenden, denen es schwerer fällt, zu flirten und ein Sexdate klar zu machen. Die Ziele, die ein Pick-Up Artist verfolgt und an denen er seine Follower teilhaben lässt, setzen sich meist aus
- der Optimierung des eigenen Selbst,
- einer besseren Selbstvermarktung nach außen hin und
- einem gesteigerten Selbstbewusstsein durch mehr offensiv ausgestrahlte Männlichkeit
zusammen. Wobei diese Männlichkeit natürlich nach den PUA-Maßstäben definiert wird.
Die Basis dafür bietet ein bestimmtes Männlichkeitsbild: Ein Mann soll gut aussehen, erfolgreich sein und den Frauen und anderen Männern zeigen, was ein echter „Alpha“ ist. Die Frau dagegen ist eine potenzielle Trophäe, die der Pick-Up Artist dementsprechend weitgehend objektiviert. Zwar soll sie spielerisch umworben, aber auch in ihre (angeblichen) Grenzen gewiesen werden, wofür der PUA verschiedene Strategien nutzt.
Wie funktioniert das Ganze?
Kernpunkt der Pick-Up Artistik ist das „Game“, das „Spiel“, bei dem es um das Ausstrahlen von „Alphamännlichkeit“ geht, das letztlich dazu dienen soll, eine Frau erfolgreich abzuschleppen. (Wobei anzumerken ist, dass der Begriff „abschleppen“ auch innerhalb der PUA-Szene zum häufig genutzten Vokabular zählt).
Das Game teilt sich auf ein „Inner Game“ und ein „Outer Game“ auf. Beim Inner Game stehen die Entwicklung von Zielen und Werten und das Erlernen der für deren Umsetzung relevanten Techniken im Mittelpunkt. Beim „Outer Game“ dagegen geht es darum, diese Strategien in der Praxis, also im Umgang mit einer Frau, anzuwenden. Wesentlich dabei ist, dass der Pick-Up Artist die Frau gleichermaßen begeistern und verunsichern will, sodass sie auf sein Vorhaben einsteigt.
Ein gewisser Trick dabei besteht darin, mit unfassbar vielen Frauen zu flirten und möglichst viele Kontakte mit Option auf mehr (also einen ONS) zu knüpfen, dabei aber nicht wahllos vorzugehen. In diesem Zusammenhang kategorisieren viele PUAs Frauen nach HB (Hot Babe) Potenzial. Eine 1 stellt sich dabei als komplett uninteressant, eine 10 als Traumfrau dar. Anschließend gilt das Motto „Je höher die Zahl, desto attraktiver ist es, die Frau anzusprechen“. Dennoch sollte die Frau nicht so attraktiv sein, dass der Pick-Up Artist das Gefühl bekommt, die Situation nicht mehr im Griff zu haben. Somit sind Frauen, die als HB8 oder etwas höher eingestuft werden, eine besonders beliebte Zielgruppe.
Ergänzend kennen PUA drei Eskalationsstufen:
- Den Number-Close (den Austausch der Telefonnummern),
- den Kiss-Close (den Austausch von Küssen)
- und den Fuck-Close (den konkreten Sex).
Dabei gilt es als ideal, wenn sich alles im Zuge eines ‚Dates‘ realisieren lässt.
Wie setzen PUAs diesen Ansatz konkret um?
Zunächst muss der richtige Ort fürs Ansprechen gefunden werden. Ein Pick-Up Artist nutzt dafür gern Orte, an denen sich viele Frauen aufhalten und an denen auch immer wieder ein Wechsel stattfindet – etwa auf öffentlichen Plätzen oder in einem Nachtclub. Dabei achten viele PUAs darauf, dass sich diese Orte nicht weit von ihrer Wohnung entfernt befinden, was einen schnellen Sex ermöglicht. Gleichzeitig versuchen sie, Orte zu meiden, die zu sehr mit ihrem eigenen sozialen Leben oder dem der Frau zu tun haben und wo ein zufälliges und unfreiwilliges Wiedererkennen durch Dritte möglich wäre.
Um die Frau auf sich aufmerksam zu machen, wählt der Pick-Up Artist meist ein gleichermaßen auffälliges wie ansprechendes Styling (Peacock-Effekt), was seinen Charme und seine Aura der Alpha-Männlichkeit unterstreichen soll. Ebenfalls beliebt: Das schnelle Thematisieren von Sex und das zügige, regelmäßige kurze Berühren, mit dem ausgetestet werden soll, wie die Frau auf körperliche Annäherungen reagiert.
Des Weiteren verfolgen viele Pick-Up Artists die Strategie, ein Verhalten, das sie selbst als negativ empfinden, nicht zu akzeptieren. Etwa dadurch, dass sie ihrem Gegenüber ein schlechtes Gewissen machen, wenn dieses nicht auf ihre Avancen eingeht. Ebenso sorgen sie dafür, dass ihr Gegenüber Zeit, Geld oder auch beides in sie investiert. Unter anderem dadurch, dass sie im Sinne des Push & Pull Komplimente mit Erniedrigungen kombinieren. So stellen sie ein Machtgefüge mit sich selbst als Leader her, wobei sich die Frau immer noch wertgeschätzt fühlt. Was de facto aber eher im Sinne der Quote denn des persönlichen Interesses der Fall ist.
Welche Kritik wird an diesem Konzept geübt?
In der Mehrheit zählt die geäußerte Kritik auf
- den oftmals verächtlichen Umgang mit dem Gegenüber, speziell Frauen,
- das rückwärtsgewandte Frauen- und Männerbild,
- das Risiko eines emotionalen Missbrauchs,
- die Oberflächlichkeit und
- Egozentrik eines manchen Pick-Up Artists
ab. Aber ebenso ist auch das bewusste, zielgerichtete Manipulieren der angesprochenen Frauen Thema.
Worauf muss man im Umgang mit einem Pick-Up Artist achten?
Sicherlich lässt sich darüber diskutieren, ob es sich beim Pick-Up-Artisting tatsächlich um eine Kunstform handelt. Eins dürfte jedoch unstrittig sein: Jeder Person, vorrangig Frauen, steht es frei, sich zu entscheiden, ob sie sich auf das Ganze einlassen will. Das wird dadurch erleichtert, dass viele Pick-Up Artists relativ klar sagen, dass es ihnen um einen ONS geht. Und wenn man selbst Lust darauf hat, warum nicht?
Wem jedoch etwas an tiefergehenden Dates und eventuell sogar Beziehungen liegt, sollte lieber die Finger von einem PUA lassen. Außerdem ist es sinnvoll, den Kontakt direkt abzubrechen, wenn man sich körperlich bedrängt fühlt oder sich aus anderen Gründen unwohl fühlt. Denn niemand muss sich degradieren lassen, wie das beim Push & Pull zuweilen eingepreist ist.
Stellt man fest, dass der Pick-Up Artist soeben eine Grenze überschreitet, hilft es, das deutlich zu kommunizieren. Unter Umständen auch mit einer Form der kommunikativen Schlagfertigkeit, die ihm unangenehm ist. Denn dann ist der Ofen bei ihm häufig von allein aus. Sollte dies jedoch nicht genügen, reicht es meist, sich an unbeteiligte Dritte zu werden. Unter dem Strich ist aber festzuhalten, dass bei Weitem nicht alle PUAs Belästigungen oder sogar noch Schlimmeres einkalkulieren. Für viele stehen auch der Spaß am Spiel, am Flirt und die Einvernehmlichkeit im Mittelpunkt. Es gilt also auch, Pick-Up Artists nicht zu früh etwas zu Kriminelles zu unterstellen. Locker und aufmerksam bleiben, selbst überlegen und entscheiden – das ist der beste Weg beim Miteinander.