Slutshaming bezeichnet das Herabsetzen und Beleidigen von Menschen aufgrund ihres vermeintlichen Verhaltens oder Aussehens in Bezug auf Sexualität. Betroffen sind vorrangig Frauen und Mädchen, aber auch andere Personen, die man als „sexuell provokativ“ wahrnimmt, die Verhütungsmittel verwenden, vorehelichen Sex haben, wechselnde Sexualpartner*innen haben oder in der Prostitution arbeiten. Die Personen, die das Slutshaming betreiben, werfen ihnen vor, nicht den gesellschaftlichen Erwartungen an sexuelle Normen zu entsprechen.
Woher stammt der Begriff?
Der Begriff „Slutshaming“ basiert inklusive kleiner Abwandlung aus Tanenbaums Buch
Slut!: Growing Up Female with a Bad Reputation (1999), in dem sie die Stigmatisierung sexuell aktiver Frauen anhand eigener Erlebnisse kritisierte. Der Begriff wurde ab 2011 populär, insbesondere durch die „Slutwalks“. Diese weltweiten Proteste entstanden als Reaktion auf die Aussage eines Polizisten aus Toronto auf einer Präventionsveranstaltung in der New York University, dass Frauen sich nicht „wie Schlampen“ kleiden sollten, um sexuelle Übergriffe zu vermeiden. Die Bewegung setzte sich für sexuelle Selbstbestimmung und gegen die Schuldzuweisung an Opfer ein, während sie den Begriff „Slut“ positiv neu besetzen wollte.
Das Slutshaming kann dabei in einem engeren Zusammenhang mit dem Victim Blaming stehen. Bei diesem geht es darum, Opfer von sexueller Nötigung oder Vergewaltigungen selbst für diese Taten verantwortlich zu machen. Immerhin sei deren Kleidung zu aufreizend gewesen oder das spätere Opfer habe einen Flirt und/oder sogar eine sexuelle Kontaktaufnahme nicht direkt unterbunden. In der Folge handelt es sich beim Slutshaming um ein Element der Rape Culture, was unter anderem auch schwule Männer betreffen kann. Dazu später aber auch noch mehr.
Als Beispiele für das Slutshaming können insbesondere Monica Lewinsky als
prominenter Fall von Slutshaming, aber auch einige Diskussionen an US- und deutschen Schulen zum Thema Kleidungsvorschriften für Mädchen dienen.
Wodurch zeichnet sich das Slutshaming aus?
Zu seinen bekanntesten Merkmalen zählen unter anderem
- Kritik am sexuellen Verhalten von Frauen oder Mädchen (teilweise auch Männern), die deren sexuelles Verhalten inklusive ihrer Kleiderwahl, ihrer Art zu flirten und die Anzahl ihrer Sexpartner*innen betrifft,
- der Druck durch gesellschaftliche Normen, die Frauen nahelegen, dass sie sich bezüglich ihrer Sexualität zurückhaltend zu präsentieren hätten
- und das Bedürfnis, andere zu mobben, zu demütigen und zu belästigen.
Dabei kann das Slutshaming auch Männer betreffen, es präsentiert sich dann oft aber etwas anders – meist subtiler, eher in Form von Spott denn als offene Beleidigung, also mehr als abwertende Kommentare zur Männlichkeit oder zu den sexuellen Fähigkeiten. Ein Grund dafür ist, dass es in vielen Kulturen legitimer zu sein scheint, dass Männer mehr Sexpartner*innen haben als Frauen.
Dennoch handelt es sich um ein handfestes gesellschaftliches Problem, da es die Gleichstellung aller Geschlechter (auch über männlich und weiblich hinaus) und das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung beeinträchtigt. Besonders betroffen scheinen laut einer 2015 in den USA erschienenen
Studie über Promiskuitätaber junge Frauen mit vielen Sexualkontakten zu sein.
Welche Rolle spielen Geschlechterklischees beim Slutshaming?
Insgesamt zeigt sich, dass Geschlechterklischees eine fundamentale Rolle beim Slutshaming spielen, indem sie die gesellschaftlichen Standards definieren, die das sexuelle Verhalten von Frauen (und anderen Betroffenen) regulieren und bewerten. Das lässt sich unter anderem an den folgenden drei Aspekten erkennen:
Erwartungshaltung gegenüber Frauen |
interne Verinnerlichung |
sexuelle Objektifizierung |
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Zurückhaltend und rein > wer sich zu sexuell frei und unabhängig verhält, wird schnell als Schlampe oder moralisch nicht einwandfrei dargestellt |
Frauen werden nicht nur von Männern, sondern auch von anderen Frauen im Zuge des Slutshamings angegangen > Kreislauf aus zusätzlicher Scham und Abwertung |
Reduzierung von Frauen auf ihr Äußeres und ihr sexuelles Verhalten > Abweichungen führen zu teils harter Kritik, weil gesellschaftliche Normen gebrochen werden |
Der Einfluss von Stereotypen ist dabei nicht zu unterschätzen, da sie das Slutshaming deutlich verstärken und gewissermaßen auch manifestieren können. Das liegt beispielsweise an
- der Verfestigung von Rollenbildern,
- dem Einfluss der sozialen Medien, die mit Stereotypen arbeiten und
- und den psychischen Auswirkungen. Denn Menschen, die Slutshaming erfahren, fühlen sich oft isoliert und abgelehnt, was die negativen Auswirkungen dieser Stereotypen weiter verstärkt.
Welche konkreten Auswirkungen hat es auf Betroffene?
Slutshaming wirkt sich sowohl auf die psychische Gesundheit als auch auf das Sozialleben aus. So kann sich die ständige Angst vor Verurteilung und Ablehnung zu einem tiefen Gefühl der Scham führen, was sich wiederum negativ auf das Selbstwertgefühl der Betroffenen auswirkt. In der Konsequenz kommt es häufiger vor, dass diese sich isoliert fühlen und Angst vor noch mehr sozialer Ausgrenzung entwickeln. Wer sich dann jedoch von Familie, Freund*innen und/oder Kolleg*innen sowie sozialen Aktivitäten noch weiter zurückzieht, läuft Gefahr, noch stärker zu vereinsamen.
Eines der gravierendsten Probleme in dieser Hinsicht? Slutshaming wird sowohl in der Schule, als auch im Vereins- und im Berufsleben betrieben, sodass ein feindliches Umfeld entsteht, in dem sich die von Slutshaming betroffenen Menschen nicht sicher fühlen. Allerdings sind dies ja genau die Umfelder, in denen man sich eigentlich sicher fühlen können sollte, um unbeschwert am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Und nicht zu vergessen: Das Slutshaming fördert eine Kultur der Geheimhaltung und Scham in Bezug auf Sexualität, was zu einem ungesunden Verhältnis zur eigenen Sexualität führen kann.
Kann man rechtliche Schritte gegen das Slutshaming einleiten?
In der Tat, denn dabei handelt es sich immerhin um eine Praxis, die oft mit Beleidigungen und Diskriminierungen gekoppelt ist, gegen die man rechtlich vorgehen kann. Zwei Beispiele:
- Geschieht das Slutshaming in Form von beleidigenden Äußerungen oder falschen Behauptungen, können Betroffene rechtliche Schritte wegen Beleidigung oder Verleumdung einleiten. So haben sie die Chance, gegen die Verbreitung von schädlichen und falschen Informationen vorzugehen.
- In einigen Fällen kann man das Slutshaming aber auch als Diskriminierung werten. Das gilt insbesondere dann, wenn es am Arbeitsplatz oder in Bildungseinrichtungen vorkommt. Denn an diesen Stellen können Antidiskriminierungsgesetze greifen.
Merke also: Slutshaming ist, ähnlich wie auch das ungewünschte Versenden von Dickpics oder das Catcalling, kein Kavaliersdelikt!
Sofern man betroffen ist, jemand anderen unterstützen möchte oder zusätzliche Informationen beziehungsweise relevante Kontaktadressen benötigt, kann man sich an verschiedene Organisationen wenden, die sich gegen das Slutshaming einsetzen. Dabei sind unter anderem verschiedene feministische Initiativen und Gruppen wie die Frauenrechtsorganisation Pinkstinks Germany oder verschiedene Beratungsstellen zu nennen. Sie tun etwas für die Bekämpfung von Slutshaming ein, indem sie Aufklärungsarbeit leisten und Veranstaltungen wie Slutwalks organisieren, die das Bewusstsein für sexuelle Selbstbestimmung und gegen sexualisierte Gewalt fördern.