Sex ist eine komplexe Sache, angefangen bei den individuellen Kinks, den verschiedenen Stellungen, Techniken und hast-du-nicht-gesehen. Aber selbst, wenn man potenzielle Sexpartner*innen genau vor der Nase hat, kann sich der Weg ins Bett (oder an einen anderen Ort) als steinig erweisen. Denn man braucht ja nicht nur selbst Lust auf die schärfste Nebensache der Welt – auch beim Gegenüber muss es Klick machen und dieses muss mit in den Love Train einsteigen …
Warum ist es eigentlich wichtig, den ersten Schritt zu machen?
Die (mehr oder weniger berechtigte) Angst vor einer möglichen Zurückweisung stellt beim Initiieren von Sex einen wesentlichen Stolperstein dar. Dennoch sollte man versuchen, sie zu überwinden. Denn immerhin ist das Initiieren von Sex für eine gute (erotische) Bindung relevant – zeigt es der*dem anderen doch, wie sehr man sie*ihn begehrt … schließlich gilt nicht überall „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“. Vielmehr muss man sich selbst Gedanken darüber machen, wie man es anfängt,
in puncto Sex mit der Sprache herauszurücken; letztlich kann und sollte man nämlich nicht immer auf die Tatkraft von anderen warten.
Was fraglos recht weitverbreitet ist: Die Erwartung, dass Männer im Hinblick und Liebe den ersten Schritt machen. Offenbar kommt das Ganze dadurch zustande, dass die kulturellen Gegebenheiten von Frauen lange Zeit (keusche) Zurückhaltung, Feinsinn und Dezenz verlangten. Der Haken an der Sache? Auch manch ein knackiger Kerl möchte sich einfach gern einmal verführen lassen. Wieso? Ganz einfach: Weil es sich gut anfühlt, wenn jemand anderes ganz offensichtlich scharf auf einen ist und die Traute hat, das zum Ausdruck zu bringen.
Denn so wie beim Flirten auch, verleiht einem das direkt zur Schau gestellte / kommunizierte Interesse einer anderen Person das Gefühl, körperlich und emotional attraktiv und begehrenswert zu sein. Das gilt (vielleicht sogar vorranging) dann, wenn sich Personen schon länger in einer Beziehung befinden. Schließlich hat sich nicht erst gestern gezeigt, dass die Lust auf Sex mit dem Ausmaß des tatsächlich erlebten Sex in proportionaler Relation steht.
Der Knackpunkt? In Langzeit-Partnerschaften, in denen der gemeinsame Spaß zwischen den Laken aufgrund von einem stressigen Alltag oder dem Fehlen von Zeit zu zweit seltener geworden ist, kann er schon mal in den Hintergrund rücken. Springt man jedoch über seinen eigenen Schatten und gibt sich
etwas verführerische Mühe, stärkt dies das Gefühl der Intimität.
Worauf kommt es beim Initiieren von Sex an?
Sex beginnt für viele Menschen – gerade für Frauen – im Kopf. In der Konsequenz geht das plötzliche, unkoordinierte Angefasst-Werden nach hinten los. Und auch zu viel Druck führt fast immer dazu, dass sich eine*r bedrängt und unwohl fühlt und sich zurückzieht. Wohl also allen, die den feinen Unterschied zwischen einer prickelnden Direktheit und einer dummdreisten Forderung kennen. Nicht zu vergessen, dass vieles eine Frage des Timings ist. Die*der andere ist ein Morgenmuffel oder kommt abends erst sehr spät und abgekämpft von der Arbeit? Dann sollte man im Zusammenhang mit potenziellem Sex nicht noch ein neues Schlachtfeld öffnen.
Was natürlich auch für den Fall gilt, dass man nur wenig Zeit hat oder es zu viele Ablenkungen (wie
Kinder oder dringende Erledigungen) gibt. Keine Frage, unter diesen Umständen kann sich eine schnelle Nummer im wahrsten Sinne des Wortes als
erquickend erweisen. Das setzt allerdings voraus, dass auch alle Beteiligten ganz bei der Sache sind und das identisch sehen. Und das ist einfach nicht immer der Fall. Wahrscheinlich geschickter? Das Auskundschaften der Lange und der Spannungsaufbau im Vorfeld:
- Wie reagiert die*der Partner*in auf eine heiße Nachricht
- Was bewirkt ein scharfes Foto?
- Folgt nach dem leidenschaftlichen Abschiedskuss am Morgen auch eine ähnliche Begrüßung am Abend?
Aber egal, wie das Ganze ausgeht und ob das Sex-Initiieren auf diese Weise funktioniert hat oder nicht: Stets sollte die emotionale Intimität im Fokus stehen. Schließlich ist das AUFRICHTIGE Interesse am Gegenüber und seinen (auch unerotischen) Wünschen und Bedürfnissen das A und O, wenn es ums Sich-Fallen-Lassen geht. Warum nicht also auch einmal gemeinsam etwas lesen und/oder hören, was die*dem anderen besonders zusagt? Und auch eine entspannende Massage ohne Gegenleistung kann definitiv vertrauensstiftend wirken.
Aber scharf werden darf es doch schon, oder?
Natürlich, wenn es die Situation hergibt. Ist das Gegenüber viel zu beschäftigt mit dem Auflösen einer anderen Gegebenheit, kommt die Forderung nach Sex natürlich in diesem Moment ungelegen. In dem Fall ist es wahrscheinlich sinnvoller, sich (sofern möglich) gemeinsam um den Abwasch zu kümmern. Es heißt nicht umsonst „Viele Hände, schnelles Ende“: Und nicht grundlos beginnen so viele Pornos mit der
Erledigung von Haushaltstätigkeiten. Ein gründliches Durchsaugen hat eben noch nie geschadet …
Außerdem – aber auch das ist wieder partner*innenabhängig – schadet eine direkte Absichtsbekundung im richtigen Moment oftmals ebenfalls nicht. Ob ein wenig
Dirty Talk oder der Aufbau von einer eindeutig-zweideutigen Nähe. Erlaubt ist, was individuell gefällt und was klar erkennbar auf Gegenliebe stößt. Apropos, (keine) Gegenliebe …
Und wie geht man (nicht) mit Zurückweisung um?
Die größte Angst beim Initiieren von Sex liegt wohl darin, zurückgewiesen zu werden. Meist hat die Unlust des anderen aber gar nichts mit einem selbst zu tun. Vielleicht ist sie*er müde und erschöpft vom Tag, fühlt sich gestresst oder unwohl. Allerdings muss es auch nicht immer eine Begründung dafür geben, wieso jemand keinen Sex möchte. Es ist völlig in Ordnung, einfach nicht in der Stimmung zu sein. Immerhin hat man ja auch nicht immer
Lust auf Sushi oder Schokolade und auch dafür gibt es keinen bestimmten Grund.
Reagiert man auf die Abweisung dann genervt oder gar wütend, schadet dass der zukünftigen Inimität stark: Ein solches Verhalten sorgt nicht für den gewünschten Effekt, die größere Lockerheit, Aufgeschlossenheit und Geilheit. Vielmehr vergrößert es den Druck und kann bei der*dem anderen sogar Schuldgefühle auslösen. Dadurch wird Sex eher zu einer Pflicht – und über dieses Level sollten wir inzwischen doch alle hinaus sein, oder?
Also: Wer gut zu sich selbst und zu seinem Gegenüber ist, schafft dadurch schon den gewissen Spielraum, den es für erfüllende Erotik und einen ebensolchen Sex braucht. Da hat Bertolt Brecht mit seinem Ansatz zum Thema niemanden verderben lassen, dafür jeden mit Glück erfüllen tatsächlich schon ganz Recht gehabt … Und wenn jemand heute nicht kommt, dann vielleicht ja schon morgen?