Sex ist der ultimative Akt der Liebe - zumindest in den Augen von leidenschaftlichen Romantikern*innen. Für viele, gerade für Sprösslinge der heutigen, doch relativ offenen Gesellschaft, ist der Geschlechtsverkehr manchmal aber einfach nur ein Ausdruck der Lust. Romantik kann, muss aber nicht sein. Worauf jedoch die meisten trotzdem Wert legen: eine gewisse Sympathie. Sex mit jemandem, der einem vollkommen gegen den Strich geht, ist daher für viele Personen nur schwer vorstellbar. Doch so manch eine*r findet diese Konstellation dennoch unerwartet reizvoll. Wie kommt das?
„Liebe machen“ ohne Liebe – geht das überhaupt?
Dass Liebe für befriedigenden und aufregenden Sex nicht unbedingt Thema sein muss, lässt sich anhand verschiedener Szenarien schnell erkennen.
- Ein One-Night-Stand beruht in der Regel zwar auf einer gegenseitigen Anziehung. Er hat aber oft weniger mit einer romantischen Schwärmerei oder Liebe zu tun, da man sein Gegenüber oft wenig kennt und auch Alkohol zuweilen die eine oder andere Rolle spielt. Will heißen: körperliche Anziehung ja, die Suche nach inneren Werten … eher nicht so. Das hat aber auch zur Folge, dass man manche Punkte gar nicht erst abklärt oder sogar gepflegt ignoriert. Muss ja auch nicht sein. Aber manchmal kommt die kalte Dusche dann beim gemeinsamen Aufwachen am Morgen danach – und dann ist sie (wieder) da, die Unsympathie. Inklusive keiner Wiederholung.
- Im Swingerclub geht es nicht allen darum, nette Kontakte für regelmäßige Sex-Treffen zu knüpfen. Viele besuchen den Club nur, um unverbindlichen Sex mit Gleichgesinnten zu haben. Zum gegenseitigen Kennenlernen besteht kein Grund, man redet höchstens über gemeinsame Fetische und Vorlieben. Aber auch hier reicht es durchaus, sich nur im erotischen Sinne zu mögen.
- Beim Sex mit einer*einem Prostituierten zahlt man für das Erbringen einer sexuellen Leistung, die dazu dient, sich vorrangig die eigenen Lüste und Wünsche zu erfüllen. Respekt fürs Gegenüber ist dabei natürlich Pflicht, Sympathie trägt ebenfalls zu einem angenehmen Erlebnis bei – indes: auch die völlige Anonymität hierbei erregt viele Menschen und ist daher in ihrer berauschenden Wirkung nicht zu unterschätzen.
- Sex mit der*dem Ex dagegen ist oft etwas komplizierter, im besten Fall aber immerhin befriedigend. Denn schließlich weiß die*der andere genau, was gefragt ist. Zuweilen kommen Ex-Partner*innen über den Sex sogar wieder ins gemeinsame (Beziehungs-) Spiel. Oft geht das Ganze allerdings auch schief.
Lange Rede, kurzer Sinn? Prinzipiell sind Menschen in der Lage dazu, Sex und Liebe voneinander zu trennen. Trotzdem braucht es in den meisten Fällen eine gewisse Menge an Vorab-Sympathie, bevor man miteinander ins Bett steigt.
Wie kommt es dennoch Sex mit Unsympath*innen?
Das Phänomen, dass einem Personen, die man nicht mag, attraktiv erscheinen, ist weit verbreitet. Aus psychologischer Sicht können unter anderem die folgenden Gründe dafür verantwortlich sein:
die unterliegende Angst vor Abstoßung |
der soziale Wettbewerb |
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Das Sich-nicht-Mögen beruht meist auf Gegenseitigkeit, was verletzend sein kann, selbst wenn man die*den Andere*n gar nicht mag. Ihr oder ihm auf sexuelle Weise nahe zu kommen, hat also einen gewissen Selbstbestätigungseffekt. |
Durch guten Sex kann man sich der*dem anderen beweisen und somit seine eigene Stärke zeigen. Steht die-*derjenige etwa in der Arbeitshierarchie über einem oder ist sie*er im Freundeskreis beliebter, kann man durch Sex zumindest symbolisch diese Lücke schließen. |
Was reizt zusätzlich am Sex mit „dem Feind“?
Der besserwisserische Kollege, der gemeine Lady Boss, die eingebildete Kommilitonin oder der nervige neue Typ im Freundeskreis: Meistens erweist sich die Anwesenheit solcher Mitmenschen nicht unbedingt als das, was man unter einem
Antörner versteht. Trotzdem finden sich Personen immer wieder in Situationen, in denen sich ihre Abneigung gegen andere unerwartet in ein erotisches Verlangen verwandelt.
Eigentlich keine Überraschung, bedenkt man, dass etwa Wut häufig als antreibende Emotion eingeschätzt wird. Stichwort „Versöhnungssex“, den viele Paare nach einem Streit erleben und als besonders heiß beschreiben. Inklusive eines als de facto oder zumindest als so empfundenen wilderen, härteren und intensiveren Miteinanders. Was wiederum kein Wunder ist, da in einem Moment der verminderten Zuneigung zur anderen Person häufig auch die Hemmungen schwinden.
Beim Sex mit jemandem, den man eigentlich gar nicht mag, kann sich die innere Wut über bestimmte Geschehnisse, Verhaltensweisen und Co. folglich als erotische Energie manifestieren. Dabei kann Sex zwischen zwei Personen, die sich jeweils nicht mögen, auch
ein sehr erotisches Machtspiel sein. Ist doch ziemlich sexy, wenn die blöde Zicke, die sonst nichts Nettes zu sagen hat, auf einmal nicht mehr die Finger von einem lassen kann, oder?
Insofern kann der Gedanke, persönlich die Kontrolle über die Lust der anderen Person zu haben, sehr befriedigend wirken – und das eindeutig über die sexuelle Lust hinaus. Und, Hand aufs Herz (oder besser die Hose): Die*Den anderen auf sinnliche Art leiden zu lassen, ist im besten Fall doch eine tolle Wiedergutmachung für all die Nerven, die sie*er einen schon gekostet hat. Aber, ganz wichtig: Wer Lust auf die Umsetzung sadistischer und/oder daran angelehnter Dominanzfantasien hat, sollte sich unbedingt im Griff haben und sich nicht von seiner Abneigung gegenüber seiner*seinem Spielpartner*in leiten lassen. Schließlich geht hier ohne gegenseitigen Respekt und die Achtung der Einvernehmlichkeit und Grenzen gar nichts.
Merke?
Egal, aus welchem Grund man jemanden nicht mag und wieso man dennoch gemeinsam zwischen den Laken landet: die erste Ablehnung kann zu
einem sexuell intensiveren Miteinander führen. Und wer weiß, vielleicht ändert man seine Meinung über die*den anderen danach ja doch?
Gleichzeitig sind das Bett oder andere Örtlichkeiten, in denen man einen Disput auf die eindeutig-zweideutige Weise austragen kann, nicht dafür gemacht, ernsthafte gegenseitige Aversionen auf Kosten der*des anderen auszutragen. Schließlich sollen Sex oder andere erotischen Praktiken allen Beteiligten Spaß machen und nicht als Mittel zur tatsächlichen körperlichen und/oder psychischen Demütigung und Misshandlung dienen. Denn dann verlässt man ganz schnell den Boden der legalen Tatsachen und landet bei einem sexuellen Missbrauch oder sogar einer Vergewaltigung. Und das ist nun echt nicht mehr sexy.