Wie das englische Verb „to response“ (antworten) verrät, reagieren sexuell responsive Menschen mit eigener sexuellen Erregung darauf, dass ihnen jemand einen erotischen ‚Startreiz‘ bietet. Sie selbst jedoch sind im Alltag nicht permanent scharf oder denken von sich aus an Sex. Bei ihnen ist das Motto „Appetit kommt beim Essen“ also eindeutig Programm. Was nur eben nicht bedeutet, dass sie deswegen auch kochen würden. Gleichzeitig ist sexuelle Responsivität aber auch nicht mit Asexualität zu verwechseln. Denn sexuell responsive Personen haben durchaus Lust auf körperliche Leidenschaft, Sex und Co. Sie wünschen sich nur einen überspringenden Funken.
Wen betrifft das?
Klischees zufolge ist es in Beziehungen ab einem bestimmten Zeitpunkt immer der Mann, der in puncto Sex den ersten Schritt macht. So von wegen „Schatz, denkst du auch an die Erfüllung deiner
ehelichen Pflichten …?“ Dennoch scheint die mit dem Klischee verbundene Tendenz in gewisser Weise richtig zu sein, da manche Statistiken von bis zu 85 % aller Frauen als sexuell responsiv sprechen. Bei den Männern dagegen seien es lediglich 25 %, die beim Schritt lieber den zweiten als den ersten Schritt machen würden.
Inwiefern da etwas dran ist und ob die Frauen tatsächlich nicht aus ihrer Haut können (oder wollen) oder ob es vielleicht eher daran liegt, dass
sie an traditionellen Rollenbildern (Mann aktiv, Frau passiv) zu knabbern haben,
- mit der Erledigung von Job, Haushalt und Co. alle Hände voll zu tun haben und einfach zu müde für Erotisches sind,
- sie gar nicht auf die Idee kommen, ihre eigenen Wünsche aktiv zu kommunizieren
die Gründe können vielfältiger Natur sein und sprechen nicht immer für eine per se vorhandene sexuelle Responsivität. Schließlich kann eine Kommunikationsblockade auch eine längere Zeit anhalten, bis man sie überwindet. Ein guter Grund also, am besten gleich in den ersten
Phasen einer Beziehung alle Karten auf den Tisch zu legen und freundlich, aber mutig zu sagen, wie man so drauf ist, was einen (nicht) kickt und was man sich unter einer gelungenen Beziehungspflege vorstellt. Denn manche Missverständnisse müssen ja nicht unbedingt sein oder zu einer umfangreicheren Herausforderung mutieren …
Welche Folgen hat das?
Unabhängig von der Frage, wie viele Menschen nun sexuell responsiv sind und ob es sich dabei um eine grundsätzliche Veranlagung oder ein situatives Verhalten handelt, lässt sich festhalten, dass es eine Diskrepanz zwischen dem realen Leben und der medialen Präsentation von weiblicher Sexualität gibt. Man denke etwa an die sehr proaktiven Frauen in Pornos oder beim
Camsex, die gefühlt jeden (gutaussehenden) Mann von sich aus vernaschen. Aber dem ist eben in der Realität nicht immer so und deswegen ist in puncto Sex auch eben manchmal eher der Wunsch der Vater des (männlichen) Gedankens.
Gleichzeitig ist es, wie bereits angesprochen, nicht so, dass eine sexuelle Responsivität mit totaler Lustlosigkeit und einem erotischen Desinteresse verbunden sei. Man sollte aber nicht davon ausgehen, dass jemand, dessen sinnliches Trachten nicht per se auf Sex abzielt, einen jeden Abend und jede Nacht mit einem
sexy Feuerwerk überrascht. Vielmehr gilt es, genauer herauszufinden, was das Gegenüber in welchem Moment (nicht) triggert und dieses Wissen gekonnt zu nutzen.
Wichtig dabei? Bedrängen nach dem „Du willst es doch auch“-Prinzip ist nicht sexy, sondern echt übergriffig. Zumindest dann, wenn das Gegenüber klar zu verstehen gibt, dass es sich in der Situation unwohl fühlt. Gleichzeitig lohnt es sich, wenn ein responsiver Typ auch das eine oder andere Mal über seinen Schatten springt und die Tür nicht gleich aus Prinzip total vernagelt. Dezente, gern auch augenzwinkernd-positive Hinweise, ob die*der andere auf der richtigen Spur ist, helfen da viel mehr. Und noch etwas könnte interessant sein …
Besteht ein Zusammenhang zwischen Responsivität und Devotion?
Möglicherweise ja, aber nicht zwingend. Allerdings lassen sich schon gewisse Schnittmengen finden, etwa
- der Wunsch nach der (erotisch-sexuellen) Initiative der*des anderen,
- Spaß daran, sich (ver-) führen zu lassen
- und/oder ihr*ihm einen Gefallen zu tun.
Insofern kann es durchaus vorkommen, dass responsive Menschen auch gleichzeitig sexuell
devot sind oder sich zumindest für einige damit verbundene Komponenten begeistern können. Vielleicht lohnt es sich also, sich mit einem individuell potenziell vorhandenen Zusammenhang etwas genauer auseinanderzusetzen. Und schon das kann ja – unabhängig vom konkreten Ergebnis – durchaus lustvoll und erregend sein.
Und das Ganze heißt jetzt was?
Es ist vollkommen legitim, wenn man nicht dauergeil ist und sich von sich aus nicht zu jeder Zeit zwingend für Sex und Erotik begeistert. Außerdem muss nicht in jedem von uns ein*e ganz große erotisch-sexuelle Führungskraft stecken. Somit ist sexuelle Responsivität nichts problematisches, solange man sich selbst mit ihr wohlfühlt und es schafft, seine eigene Erotik und Sexualität (bei Wunsch auch mit anderen zusammen) erfüllend und befriedigend zu gestalten. Alles eine Frage des geeigneten Warm-Ups …